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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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kleinen Toleranz. Ich habe zwar keine lebenden Spermien gefunden, aber es gibt Schleimhautläsionen in der Analregion. Für mich sieht das so aus, als sei er über einen längeren Zeitraum vergewaltigt worden. Wir haben Proben genommen, auch von der Penisspitze, der Harnröhre, der Mundhöhle. Die Standardprozedur. Vielleicht haben wir Glück, finden fremde Epithelzellen und können DNA isolieren.«
    Es klopfte kurz an der Tür, und ein Mitarbeiter des chemischen Labors betrat den Sektionsraum. Er überreichte Brigitte einen Computerauszug.
    »Und?«, fragte die Gerichtsmedizinerin gespannt.
    »Positiv. Valium zehn.« Er nickte LaBréa zu und verließ den Raum. Brigitte überflog den Bericht und wandte sich dann an LaBréa.
    »Die Untersuchung des Mageninhalts. Ich hatte die Vermutung, dass man ihm Betäubungs- oder Beruhigungsmittel verabreicht hatte. Hier ist nun der Beweis.«
    »Hm …« LaBréa warf einen Blick auf den Computerausdruck, wo einer der Laborwerte mit rotem Filzstift markiert
war. »Der Junge sollte ruhiggestellt werden, damit er sich nicht wehrt. Gegen den Missbrauch und dagegen, dass man ihn fesselte und ins Wasser warf.«
    »Valium bleibt zweiundsiebzig Stunden wirksam.«
    LaBréa stutzte.
    »Aber hätte die Wirkung von Valium nicht verhindert, dass er während des Ertrinkungsvorgangs voller Panik an seinen Fesseln zerrt? Ich meine, so ein Mittel macht doch schläfrig und trübt das Bewusstsein.«
    »Normalerweise schon. Doch als er ins Wasser geworfen wurde, hatte der Junge Todesangst. Die instinktiven, lebenserhaltenden Reflexe waren in diesem Moment stärker als das Valium. Wir untersuchen seine Leber und Nieren auf ältere Spuren dieses Mittels oder anderer Substanzen. Er ist vielleicht schon öfter ruhiggestellt oder betäubt worden.«
    »Wann weißt du das, Brigitte?«
    »Spätestens morgen Vormittag. Und in ein paar Tagen kann ich dir auch sagen, in exakt welchem Zeitraum vor seinem Tod er Betäubungsmittel genommen oder verabreicht bekommen hat.«
    »Ihr macht eine Haaranalyse?«
    »Richtig. Menschliche Haare wachsen im Schnitt einen Zentimeter pro Monat, im Sommer etwas mehr. Der Junge hat zum Glück recht lange Haare. Wir analysieren die Haare zentimeterweise von der Kopfhaut ausgehend. Dann wissen wir genau, wann das Mittel in seinen Körper gelangt ist.«
    »Kannst du mir morgen auch sein genaues Alter sagen?«
    »Ja. Ich untersuche die Knochenkerne der Handwurzeln. Aber mit unserer ersten Einschätzung von heute Vormittag
werden wir richtigliegen. Er war höchstens zwölf, dreizehn Jahre alt. Noch keine Anzeichen der Pubertät.«
    »Was ist mit Fasern, Brigitte?«
    »Nachdem es eine Wasserleiche ist, werden wir kaum etwas finden.«
    LaBréa trat einige Schritte beiseite und ging zum Fenster. Von dort aus hatte man einen freien Blick auf die Seine und den Pont Charles de Gaulle. Zwei Schleppkähne tuckerten über die glatte, schmutzige Wasseroberfläche. Möwen folgten im Kielwasser der Schiffe, als gäbe es dort etwas zu holen. Ein friedliches Bild. Trügerisch, wie LaBréa mit aufkeimender Wut feststellte. Flusslandschaft mit Leiche, dachte er. Die Seine hatte ihre Unschuld verloren und barg ein schreckliches Geheimnis. Würde es jemals gelüftet werden? Er versuchte, sich das Szenario dessen vorzustellen, was passiert sein konnte. Frankreich hatte mehr als sechstausend Kilometer Meeresküste. Am Mittelmeer, am Atlantik und am Ärmelkanal. Irgendwo auf diesen sechstausend Kilometern war ein hilfloser und an den Händen gefesselter Junge, der zuvor mehrfach missbraucht worden war, ertränkt worden. Woher kam das Kind, wie war es an diesen Ort gelangt? War es entführt worden? Steckte ein Familienmitglied hinter der Tat? Ein pädophiler Psychopath? Hatte das Verbrechen seinen Ursprung an Land genommen? Hatte der Mörder sein Opfer von dort aus in Ufernähe umgebracht, seinen Kopf unter Wasser gehalten, bis der Junge sich nicht mehr rührte? Oder war er von einem Boot aus über Bord geworfen worden, von einem Schiff, einem Passagierdampfer, einer Fähre? Dann hätte der Mörder sein Opfer, nachdem es ertrunken war, sehr
mühsam wieder aus dem Wasser holen müssen. Von einem Passagierdampfer oder einer Fähre aus war dies schwer zu bewerkstelligen und wäre sicher aufgefallen. Wahrscheinlicher schien, dass er mit einem Boot aufs Meer hinausgefahren wurde. Einem Segelboot, einem Motorboot. War er bereits gefesselt, als er aufs Boot kam? Der Mörder hatte ihn vielleicht angeleint, um ihn

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