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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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erwachte Chantal Coquillon durch ein Geräusch aus einem Traum, der sie über die düsteren Flure eines fremden Hauses bis auf eine Wiese hinter dem Haus ihrer Eltern in Nantes geführt hatte. Dort war weder Tag noch Nacht, und ein graues Licht lag über dem menschenleeren Land, wie ein Vorgriff auf das Leben nach dem Tod.
    Chantal war erst nach Mitternacht eingeschlafen. Sie wusste, dass es bei Eric spät werden würde, wie immer, wenn er ohne ihre Begleitung loszog.
    Ihre Schlafzimmertür war nur angelehnt, und so hörte sie, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel. Eric war also endlich nach Hause gekommen! Sie vernahm seine Schritte, die sich rasch näherten. Als er vorsichtig die Schlafzimmertür aufschob und seinen Kopf hereinsteckte, fiel ein Lichtstrahl der Straßenlaterne auf sein lockiges Haar, und sein schönes, klassisches Profil hob sich scharf vom Türrahmen ab.
    »Chantal?«, sagte Eric leise. »Bist du wach?«
    Sie grummelte etwas und drehte sich auf die andere Seite.
    »Es ist was Schreckliches passiert«, fuhr Eric fort, und seine Stimme bebte leicht. »Yves ist heute Abend im Ritz ermordet worden!«

    Chantal war von dieser Nachricht keineswegs überrascht. Sie wusste bereits Bescheid. Kurz nachdem sie sich hingelegt hatte, klingelte das Telefon. Serge Schulmann war am Apparat. Sie kannte ihn von früher, und lange Zeit gehörte er zum Kreis der Journalisten, mit denen die Agentin Chantal Coquillon zusammenarbeitete. Seit Chantal nicht mehr in ihrem Job tätig war, hatten sie sich etwas aus den Augen verloren. Serge hatte ihr mitgeteilt, dass Yves Ribanville auf der Herrentoilette tot aufgefunden worden war. Komisch, dass Eric es nicht für nötig gehalten hatte, sie sofort darüber zu informieren! Etwa aus Rücksichtnahme, weil er dachte, dass sie schlief? Sonst rief er doch auch oft mitten in der Nacht an, zum Beispiel nach den Theateraufführungen.
    Sie ließ sich ihm gegenüber nichts anmerken und murmelte mit gespielter Überraschung: »Was sagst du da?«
    »Das Fest war keine Stunde alt, da hat ihn Roland Thibon auf der Toilette gefunden«, erwiderte Eric. »Weißt du, wie er ums Leben kam? Er wurde erschlagen. Mit einem Hammer!«
    Eric betrat den Raum und ließ sich auf einen Sessel am Fenster fallen. Er fuhr sich mit der Hand durch seinen Lockenschopf.
    »Mein Gott, wie schrecklich! Du kannst dir vorstellen, was das für Candice und die Kinder bedeutet!«
    Und für dich, dachte Chantal spontan und warf ihrem Mann einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Sie selbst war völlig unberührt. Die Nachricht vom Tod Ribanvilles hatte schon beim Telefonat mit Serge Schulman keinerlei Gefühle in ihr ausgelöst. Jeder bekam, was er verdiente, und
Ribanville war da keine Ausnahme. Eine kühle, ja kaltherzige Einschätzung, doch sie entsprach dem, was Chantal empfand.
    »Die Polizei hat die ganze Nacht ermittelt«, fuhr Eric fort. »Wir mussten alle dableiben. Die Befragungen haben bis jetzt gedauert. Ich bin völlig fertig.«
    Chantal sagte nichts. Sie erhob sich aus dem Bett, zupfte ihr Nachthemd zurecht und schlurfte ins angrenzende Badezimmer. Bevor sie die Tür zuzog, rief Eric ihr nach: »Morgen taucht bestimmt die Polizei hier auf. Die wollen wissen, ob du heute Abend wirklich zu Hause gewesen bist. Du warst die Einzige auf der Gästeliste, die nicht erschienen ist.«
    Chantal hielt abrupt inne. Ihre Hand lag auf der Türklinke. Ohne sich zu ihrem Mann umzudrehen, sagte sie: »Ach, und deshalb gehöre ich zu den Verdächtigen? So was Absurdes!« Sie lachte kurz auf und verschwand im Bad, wo bald darauf das Geräusch der Toilettenspülung zu vernehmen war.
    Als sie zurückkehrte, hatte Eric den Raum bereits verlassen. Seit Jahren schon schliefen sie in getrennten Schlafzimmern. Das von Eric lag am Ende des Flurs, gleich neben dem Salon. Sie hörte noch, wie die Tür zuschnappte, dann war Ruhe. Mit einem tiefen Seufzer ließ Chantal sich auf ihr Bett sinken und starrte an die Zimmerdecke. Sie hatte es sich verkniffen, die Lüge zu enttarnen, die Eric ihr aufgetischt hatte. Wieder einmal, wie so oft in all den Jahren. Doch in ihrem Ehepakt, den beide vor langer Zeit miteinander eingegangen waren, hatte Chantal ihrem Mann zugesichert, ihm alle Freiheiten zu lassen. Deshalb hatte sie
eben geschwiegen, als er sagte, die Polizei habe die Partygäste bis jetzt vernommen. Von Serge Schulmann hatte sie erfahren, dass alle Gäste, bis auf die Witwe, Léon Soulier und den Fernsehdirektor, kurz nach Mitternacht

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