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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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das Ritz verlassen hatten. Eric war nicht gleich nach Hause gekommen, und Chantal fragte sich, wo er gewesen sein konnte, nachdem die Polizei die Gäste befragt hatte.
     
    Auf dem Heimweg zum Parc de Belleville verlief Nick Sabatier sich einige Male. In den vielen kleinen Straßen und Höfen nahe der Bastille fand er sich nicht zurecht und landete mehrfach in Sackgassen, wo es kein Weiterkommen gab. Auf den großen Boulevards saßen noch Menschen in den Bistros und Cafés. Nachtschwärmer, leicht bekleidet, manche stark angetrunken. Sie warfen ihm mitleidige Blicke zu, einmal hörte er eine abfällige Bemerkung über sein Äußeres. Trotz der Hitze war Nick mit mehreren Schichten bekleidet. Zu einem Paar dunkelblau gestreifter Hosen trug er ein hellblaues Flanellhemd, das er im letzten Winter vom Wühltisch eines Klamottendiscounters hatte mitgehen lassen. Darüber den senffarbenen Wollpulli, eine Hinterlassenschaft seines Kumpels Albin, der eines Tages spurlos aus dem Park verschwunden war. Ein ehemals hellgrauer Gabardinemantel, jetzt voller Flecken und von schmutziger Farbe, vervollständigte die Garderobe. Alles, was er an Kleidung besaß, trug Nick am Leib. Darin unterschied er sich nicht von anderen Obdachlosen. Nur in einem hatte er den heißen Temperaturen Rechnung getragen: seine Füße steckten ohne Strümpfe in den Stiefeln mit den schief getretenen Absätzen. Arbeitsschuhe, aus einem Müllcontainer
gefischt, sperrig und aus schwerem Leder. Als er sie vor einigen Jahren fand, waren sie nagelneu und nur mit einer leichten Schimmelschicht überzogen.
    Auch während der Sendung hatte er all seine Klamotten anbehalten, obgleich die Scheinwerfer im Fernsehstudio eine unerträgliche Hitze verströmten. Die dreitausend Euro, die er in der Sendung gewonnen hatte, waren zu gleichen Teilen auf beide Gesäßtaschen seiner Hose verteilt. Zehn Zweihunderteuroscheine und zwei Fünfhunderter. Nick hatte gar nicht gewusst, dass es Scheine in dieser Größenordnung gab und dass sie gelb und lila waren. Der Typ vom Fernsehen, der ihn am Abend im Park abgeholt hatte, ließ sich von Nick den Betrag quittieren und gab ihm eine Bescheinigung, dass er das Geld rechtmäßig bei der Rateshow gewonnen hatte.
    »Damit keiner auf die Idee kommt, das Geld wäre geklaut, wenn Sie mit großen Scheinen bezahlen«, hatte er hinzugefügt und gegrinst. Nick hätte ihm am liebsten eine reingeschlagen. Er war keiner, der Geld klaute!
    »Ich bin keiner, der Geld klaut!«, hatte er in scharfem Ton zu dem Jüngelchen gesagt, woraufhin dieser sich sofort bei ihm entschuldigte.
    Irgendwann war Nick am Boulevard de Charonne gelandet und von dort aus, einem Instinkt folgend, nach Norden gewandert. Vorbei am Friedhof Père Lachaise. Entlang der Friedhofsmauer sah er die Dächer und Giebel der Grabhäuser, die die Mauer überragten. Zwischen ihnen standen Bäume, in denen kein Windhauch wehte. Still und mit den Geheimnissen der vielen Toten beladen, lag der Gottesacker da. Nick beschleunigte seine Schritte. Er war kein ängstlicher
Mensch. Das Leben auf der Straße hatte ihn zwar vorsichtig, aber auch unerschrocken werden lassen. Doch Friedhöfe fand er unheimlich, insbesondere nachts. Nicht für alles in der Welt würde er in der Nacht über einen Friedhof gehen! Abgesehen davon, dass Friedhofstore ohnehin am Abend verschlossen wurden.
    Auf dem Nachhauseweg waren seine Gedanken wie in einem komplizierten Puzzle durcheinandergeraten. Nichts passte zusammen. War das, was geschehen war, Traum oder Wirklichkeit gewesen? Er erinnerte sich an den Hotelportier, dieses fette Arschloch. Wie er von ihm angebrüllt worden war, verscheucht wurde. Dann war ein großer Wagen vorgefahren, aus dem eine vertrocknete, wie ein Weihnachtsbaum dekorierte Alte stieg, die mit steifen Schritten ins Hotel stakste.
    Danach, was war danach passiert? Erneut überlegte Nick angestrengt, doch es tauchten keine Bilder vor seinem inneren Auge auf. Da war nur ein dunkles Loch, das jegliche Erinnerung verschlungen hatte. Je mehr er sich bemühte, das verschüttete Geschehen aus der Tiefe des Vergessens zu holen, desto unwiderruflicher schien es in die Dunkelheit zu entgleiten.
    Nur an das Blut, daran konnte er sich entsinnen. Helles Blut auf einer großen, weißen Fläche. Doch wessen Blut es war und wieso er sich damit beschmiert hatte, das wusste er nicht. Mit einem Zipfel seines Mantels hatte er darübergewischt. Und dann Blut an seinen Händen! Er hatte es am Hosenbein

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