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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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schwappte träge und düster gegen die Kaimauern. Auf dem Pont Neuf, an dessen mit einem Gerüst versehenen Pfeiler der tote Junge angetrieben worden war, leuchteten die Straßenlaternen. Ein Jogger überquerte die Fahrbahn, spärlich bekleidet und mit einer Wasserflasche in der Hand. Seine Gestalt bog um die Ecke des Hotel Dieu und verlor sich in der Dunkelheit.
    Wenig später parkte Claudine den Wagen in der Tiefgarage des Justizpalastes.

     
    Candice Ribanville saß in der herrschaftlichen Küche ihres Luxusappartements in der Rue Montaigne. Nach der Vernehmung durch den Commissaire der Brigade Criminelle war sie durch die Halle zum Ausgang des Hotels gegangen. Dort warteten der Botschafter und seine Frau, die ihre Hilfe anboten. Sollen wir Sie nach Hause fahren? Können wir sonst irgendwas für Sie tun? Candice wehrte ab. Sie hatte nur einen Wunsch - allein zu sein.
    Auch einige Reporter lauerten darauf, dass sie das Hotel verließ. Es hatte sich rasch herumgesprochen, dass im Ritz ein Verbrechen geschehen war, und das Gerücht, wer das Opfer war, hatte sich verdichtet. Irgendjemand hatte geplaudert, vermutlich jemand vom Hotelpersonal. Die Reporter stürzten sich auf Candice, kaum dass sie durch die Tür nach draußen getreten war. Irritiert und unsicher blieb sie kurz stehen, dann flüchtete sie zurück ins Hotel. Der Portier und zwei Pagen hielten die Meute davon ab, ihr zu folgen.
    Der Hotelconcierge geleitete sie in die Tiefgarage und bestellte ein Taxi dorthin. Als der schwarze Mercedes mit den abgedunkelten Scheiben in schnellem Tempo Richtung Rue des Capucines davonschoss, erinnerte sich Candice an den Tag, als Lady Di tödlich verunglückte. War sie, die Königin der Herzen, mit ihrem Liebhaber nicht seinerzeit ebenfalls durch diese Tiefgarage der Reportermeute entflohen und dem Tod direkt in die Arme gerast? Der Gedanke verschwand ebenso schnell wieder, wie er aufgetaucht war.
    Sie hatte sich nicht umgezogen, als sie nach Hause kam. Ihr lila und grün geblümtes Dior-Kleid, mit Spaghettiträgern
und einem tiefen Schlitz auf der rechten Seite, der ihre schlanken Oberschenkel betonte und bei der Party die Blicke der männlichen Gäste auf sich gezogen hatte, war unter den Achseln ein wenig verschwitzt. Doch Candice störte sich nicht daran. Vorsichtig öffnete sie die Türen zu den Zimmern ihrer beiden Töchter. Lilly, die ältere, lag bäuchlings auf ihrem Bett, die Decke zurückgeschlagen. Ihr nackter Arm hing über die Bettkante. Die neunjährige Joëlle im Nebenzimmer hatte vergessen, ihre Nachttischlampe zu löschen. Durch den bunten Schirm mit den Mickymausfiguren fiel ein Lichtstrahl auf ihr Gesicht, das sich mit halbgeöffneten Lippen ans Kopfkissen schmiegte wie zu einer Liebkosung. Sie ähnelte ihrem Vater. Derselbe Gesichtsschnitt, dieselbe Haarfarbe wie Yves, ein tiefes Schwarz. Doch die Natur hatte bei den Kindern alles gerecht aufgeteilt, denn Lily war ganz das Ebenbild ihrer blonden Mutter. Eine Welle der Zärtlichkeit durchflutete Candice. Sie liebte ihre Kinder. Sie würde sie vor dem Skandal, den Yves gewaltsamer Tod auslöste, beschützen.
    Die Mädchen hatten ihren vielbeschäftigten Vater selten gesehen und deshalb kein sehr enges Verhältnis zu ihm. Er selbst konnte mit Kindern nicht viel anfangen. Eine Familie zu gründen, Kinder in die Welt zu setzen, das gehörte sich einfach so für einen guten Christen. Gehet hin und vermehret euch … Als Familienvater war Yves eine Null gewesen. Morgen früh würde Candice den Kindern mitteilen, dass ihr Vater tot war. Yves’ Ermordung würde die Topnachricht in den Morgensendungen und TV-Magazinen sein. Das Kesseltreiben seitens der Journalisten würde
mit aller Macht einsetzen. Candice und die Kinder konnten dem kaum entgehen, es sei denn, sie verschanzten sich in der Wohnung. Eine Dauerlösung war das nicht. Längst hatte Candice beschlossen, nach der Beerdigung das Appartement über einen Makler zu verkaufen und auf dem schnellsten Weg in ihre amerikanische Heimatstadt Corpus Christi in Texas zurückzukehren.
    Das Hausmädchen Maria hatte Candice nicht aufgeweckt, als sie nach Hause gekommen war. Sie würde noch früh genug vom Tod ihres Arbeitgebers erfahren.
    Candice trank ihr Whiskyglas in einem Zug leer und fühlte sich ein wenig gestärkt. Ein guter amerikanischer Whisky aus Tennessee, den sie von ihren Besuchen bei ihrer amerikanischen Familie nach Paris mitbrachte. Alkohol trank sie weder viel noch regelmäßig, doch in diesen

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