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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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einmal. Gleich halb acht. In einer halben Stunde würden die Herren sich zu Tisch begeben. Die Tafel in der großen Halle war bereits gedeckt. Lisa, die vom Tod des Moderators Yves Ribanville am Morgen durch Monsieur Bouvier erfahren hatte, war aus mehreren Gründen über sein gewaltsames Ableben betroffen. Zum einen war sie ein Fan seiner Sendung, die sie sich auch am gestrigen Abend angesehen hatte. Zum anderen hatte Ribanville bei seinen Besuchen im Kloster noch nie vergessen, ihr eine kleine Aufmerksamkeit mitzubringen. Mal war es ein entzückendes Votivbildchen aus Lourdes, mal ein besonders schöner Rosenkranz. Er wusste, dass Lisa in einer festen Zwiesprache mit Gott lebte, genau wie er auch. Obendrein war Ribanville einer von der Sorte Gäste, die selbst einem schnellen Butterbrot noch ein Lob abgewinnen konnten. Ein charmanter, liebenswürdiger Mann. Welch ein Jammer, dass ihn ein solches Schicksal ereilt hatte!
    Nun fehlte er in der Runde der Herren. Das Diner würde ohne ihn stattfinden. Auf Anweisung von Monsieur Bouvier hatte sie dennoch ein Gedeck für ihn aufgelegt. Am üblichen Platz, zwischen dem Hausherrn und Monsieur Kahn. Neben dem Teller stand eine kleine Vase mit einer blassrosa Rose der Sorte Pierre de Ronsard. Sie wuchs in üppiger Fülle im ehemaligen Klostergarten.

    Lisa stellte das Glas auf den Tisch, die Flasche zurück in den Schrank und öffnete den Backofen, dem ein sanfter, köstlicher Duft entwich. Der Bratensud war bereits gut eingekocht, doch es blieb noch genügend übrig, um später die Soße zu montieren. Jetzt wurde es Zeit, sich um die Meeresfrüchte zu kümmern. Lisa nahm als Erstes die Austern aus dem großen Kühlschrank und griff nach dem Austernmesser. Mit geübter Hand öffnete sie die Schalentiere. Auf einem Plateau mit zerstoßenem Eis, zwischen Muscheln und Wasserschnecken, würden sie mit geviertelten Zitronen und einer schönen Seegrasdekoration serviert werden. Bis auf Monsieur Dubois, den jüngsten der Gäste, liebten alle in der Herrenrunde Meeresfrüchte. Der smarte Junggeselle, dessen Lächeln sie an den jungen Alain Delon erinnerte, aß Fisch und Meeresgetier hingegen nur in gekochter oder gebratener Form. Für ihn gab es anstelle der Meeresfrüchte eine Schale eisgekühlte Gazpacho.
    Ihr Blick fiel aus dem Küchenfenster in den Innenhof des Klosters. Dort saßen die Herren im Schatten der Blutbuche auf bequemen Stühlen. Sie waren beim Apéritif und schienen trotz des Verlustes ihres Freundes Yves Ribanville nicht gerade Trübsal zu blasen. Sie unterhielten sich lebhaft, wobei Lisa natürlich nichts verstand. Deutlich sah sie das Lachen auf Eric Lecadres Gesicht. Irgendjemand hatte wohl etwas Lustiges zum Besten gegeben. Nicht die schlechteste Art, mit dem Tod eines Freundes fertigzuwerden, dachte Lisa. Sie erinnerte sich an die Todesfälle in ihrer Familie. Zuerst die Großeltern, als sie noch ein Kind war. Dann ihre Mutter und ein Onkel. Tagelang hatte man sie in der Scheune des Bauernhofes aufgebahrt. Alle, auch die Kinder,
mussten Abschied nehmen. Bis zum Begräbnis wurde im Haus und auf den Feldern nur mit gedämpfter Stimme gesprochen. Lachen war eine Todsünde, für die man den Kindern den Hintern versohlte und sie dazu verdonnerte, zehn Ave-Maria zu beten. Doch dann, nach dem Begräbnis, waren Trauer und ernste Gesichter vergessen. Beim Leichenschmaus wurde getafelt, was Küche und Keller hergaben. Und das Lachen kehrte zurück, wenn jemand eine lustige Geschichte über den Verstorbenen erzählte und Erinnerungen die Runde machten.
    Jetzt strich Eric Lecadre sich eine Locke aus seiner Stirn. Ein schöner Mann, dachte Lisa und stieß einen kleinen Seufzer aus. Sie dachte an ihren Jean-Paul und musste unwillkürlich lächeln. Er war rothaarig, mit Händen wie Schraubstöcke und einem Gebiss, das nie ein Zahnarzt zu Gesicht bekommen hatte. Aber sie liebte ihn. Männer wie Eric Lecadre waren für Frauen wie Lisa unerreichbar. Wie von einem anderen Stern. Man konnte sie bewundern und als das betrachten, was sie waren: ein kostbares Kleinod, eine Art seltenes Kunstwerk, an dem man sich erfreuen und das man unentwegt betrachten konnte. Ob ein so schöner Mann seiner Ehefrau treu blieb?, fragte sich Lisa manchmal. Dass der Schauspieler verheiratet war, wusste Lisa. Doch seine Frau hatte sie nie gesehen. Ebenso wenig wie Ribanvilles Gattin, die nach Aussage von Lisas Brotherrn aus Amerika kam und eine ehemalige Miss Texas war.
    Monsieur Bouvier erzählte oft

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