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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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unangenehm. Kaplan Coulon ist ein enger Freund von ihm. Die beiden waren zusammen im Priesterseminar in Rom. Solche Freundschaften halten ein Leben lang.«
    »Ich weiß, Monsieur.«
    Couperin schob seinen Stuhl zurück.
    »Ich habe jetzt einen Termin beim Gerichtspräsidenten. Wenn Sie mich entschuldigen würden …«
    LaBréa nickte und stand auf. Noch nie hatte er Couperin so abweisend erlebt. Er fand keine Erklärung für das Verhalten des Ermittlungsrichters. Vielleicht eine Laune? Oder
doch das extreme Wetter, das sich bei ihm auf diese Weise auswirkte?
    Wenig später verließ LaBréa das Präsidium und ging nach Hause. Selten hatte er sich so auf eine Dusche gefreut. Den Staub und die Hitze des Tages abspülen. Und all den Dreck abwaschen, den insbesondere der Mordfall des toten Jungen mit sich brachte.
    Auf der Straße schlug ihm ein heißer Wind entgegen. Im flirrenden Licht des späten Nachmittags suchte LaBréa den Schatten der Häuser, als er auf die Rue des Blancs Manteaux zusteuerte. Die Hitze schnitt wie mit Messern in seinen Körper. Unablässig waren die Signalhörner der Krankenwagen zu hören. Die Hundstage forderten ihre Hitzeopfer.

19. KAPITEL
    D ie Entdeckung von Yves’ Tagebuch in den frühen Morgenstunden und der Besuch der Polizei am Vormittag hatten Candice Ribanville in eine tiefe Krise gestürzt. Die Bezeichnung »Depression« traf ihren inneren Zustand bei weitem nicht. Vielmehr hatte sich vor ihr der Boden geöffnet und den Blick in einen gähnenden Abgrund freigegeben, an dessen Rand sie balancierte und krampfhaft versuchte, ihre Schwindelgefühle unter Kontrolle zu bekommen. Es galt, zu überleben, doch bei der fieberhaften Suche nach einer Strategie war sie immer mehr in einen Strudel hineingezogen worden, der sie zu vernichten drohte.
    Dass Yves in all den Jahren Geheimnisse vor ihr verborgen hatte, ahnte sie schon lange. Nun lagen diese Geheimnisse vor ihr ausgebreitet. Eine brutale Wahrheit, die wie ein Tornado in ihr Leben eingebrochen war und eine Schneise der Vernichtung hinterlassen hatte.
    Die Lektüre von Yves’ Aufzeichnungen in den frühen Morgenstunden hatte sie immer wieder unterbrechen müssen. Zu ungeheuerlich erschien ihr das, was sie las. Das zweite Leben des Yves Ribanville, ihres Ehemannes. Penible Notizen eines völlig Fremden, mit dem sie seit Jahren ihr Leben geteilt hatte. Ein paralleles Universum, von dessen Ausmaß sie nie etwas geahnt hatte. Oder hatte sie es verdrängt,
die Zeichen nicht erkannt? Weggeschaut, weil es zu unfassbar schien?
    Im ersten Telefonat mit ihrem Vater in Corpus Christi/ Texas hatte sie den Versuch unternommen, davon zu erzählen. Doch klare Worte wollten ihr nicht über die Lippen kommen, und aus dem wirren Gestammel, vermischt mit langen Weinkrämpfen, hatte ihr Vater sich keinen Reim machen können. In der Annahme, Yves’ Tod hätte sie derart aus der Bahn geworfen, versuchte er, ihr Trost zuzusprechen. Sie hatte es nicht fertiggebracht, ihrem geliebten Dad die Wahrheit zu sagen. Vermutlich hätte er sie sowieso nicht geglaubt.
    Tatsächlich waren in der Mittagszeit die meisten Journalisten, die den Hauseingang in der Rue Montaigne bewachten, verschwunden. Nur einige besonders hartnäckige Paparazzi harrten aus. Candice hatte den VIP-Fahrdienst am Etoile angerufen, mit der resoluten Hilfe der Concierge ihre Kinder in die Limousine mit den abgedunkelten Scheiben gesetzt und sie in die Privatresidenz des Botschafters chauffieren lassen. Dort würde sich die Botschaftersgattin, Mrs Farmer, um die Mädchen kümmern. Ihr zwölfjähriger Enkelsohn Alex weilte zusammen mit einem gleichaltrigen Freund zurzeit in Paris. Candice’ Töchter hätten also zwei Spielkameraden und wären, da die Residenz rund um die Uhr überwacht wurde, vor der Journalistenmeute erst einmal sicher.
    Dem Hausmädchen Maria hatte Candice für den Rest des Tages freigegeben. Zusammen mit ihrem Cousin Rado, der wie sie aus Serbien stammte, wollte sie sich am Nachmittag ins Getümmel von Paris Plage am Ufer der Seine stürzen.

    Als alle aus dem Haus waren und in dem riesigen Appartement eine bedrückende Stille herrschte, brach Candice zusammen. Der Gedanke an Selbstmord tauchte wie ein Gespenst auf, das sich schwer verscheuchen ließ. Nur das Verantwortungsgefühl für ihre Kinder hielt Candice davon ab, dem Wunsch nach einem tiefen und immerwährenden Schlaf, der sie von allem erlösen würde, nachzugeben.
    Wut.
    Wut würde helfen, das wusste sie. Wut auf Yves,

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