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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Grote
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der sie so schamlos hintergangen und sie in diesem Trümmerhaufen zurückgelassen hatte.
    Hass.
    Auch Hass würde guttun. Hass auf einen Mann, dessen Maske durch das Ereignis seines gewaltsamen Todes jäh heruntergerissen worden war. Der ihr sein Geheimnis hinterlassen hatte, an dem sie zu zerbrechen drohte …
    Doch Wut und Hass, starke Gefühle als Heilmittel gegen die Verletzungen der Seele, stellten sich nicht ein, sosehr Candice es sich auch wünschte. Stattdessen hatten Ohnmacht und Schmerz sie umwoben wie ein dichtes Spinnennetz, das sie gefangen hielt. Was sollte sie tun? Wo war der Weg, der da herausführte?
    Rasende Kopfschmerzen erschwerten jeden Gedanken. Mit rotgeweinten Augen und einer tiefsitzenden Angst im Herzen lag Candice seit dem frühen Nachmittag im abgedunkelten Schlafzimmer, dessen Klimaanlage eine angenehme Kühle verströmte. Wenigstens das.
    Immer wieder klingelte das Telefon. Sie ignorierte es. Der Anrufbeantworter schaltete sich ein. Das Bestattungsunternehmen, Pater Matthieu, die Familie aus Corpus Christi,
Mrs Farmer und die Kinder … Es gab Dinge zu regeln. Aber all das würde Zeit haben. Es musste Zeit haben!
    Langsam reifte in Candice ein Plan. Zunächst hatte sich alles gegen diesen Gedanken gesträubt. Doch jetzt … Es schien ihr die einzige Möglichkeit, den schweren Stein von ihrer Seele zu wälzen, den Yves dorthin gerollt hatte. Vielleicht war es der falsche Weg? Doch was hatte sie noch zu verlieren? Sie musste sich Gewissheit verschaffen. Vor allem musste sie mit jemandem reden, der ebenfalls betroffen war.
    Es war kurz vor achtzehn Uhr, als sie ihr Schlafzimmer verließ und ins Bad ging, um sich frischzumachen. Wenig später rief sie ein Taxi.
     
    Lisa Breton hielt inne und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Den ganzen Nachmittag hatte sie in der Küche geschuftet. Hier war es zwar angenehm kühl. Doch wenn man neunzig Kilo mit sich herumschleppte und knapp fünfundvierzig Jahre zählte, artete die Tätigkeit einer Köchin zuweilen in Schwerstarbeit aus, der man Tribut zollen musste.
    Am meisten machten Lisa ihre Beine zu schaffen. Trotz der Kompressionsstrümpfe, die sie wegen ihrer Krampfadern tragen musste, spürte sie, wie sich das Blut in den Oberschenkeln staute und eine bleierne Kraft ihren Körper nach unten zog.
    Schwer atmend ließ sie sich auf einen der Küchenstühle sinken. Der Blick ihrer wasserblauen Augen ruhte auf dem großen Herd. Ein Profiherd, wie in einem Sternerestaurant. Er beherrschte die geräumige ehemalige Klosterküche
und verfügte über acht Gasflammen verschiedener Größe. Nur eine von ihnen, die kleinste, war angeschaltet. In einer Kupferpfanne köchelte auf kleiner Flamme die Soße für die Seezungenfilets. Monsieur Bouvier, Lisas Arbeitgeber, hatte schon vor Tagen das Menü für den heutigen Abend zusammengestellt. Als Horsd’œuvres gab es ein großes Plateau mit Meeresfrüchten sowie eine Hummermousse mit Calvados, die Lisa bereits am Morgen zubereitet hatte und die kalt serviert wurde. Danach folgten Seezungenfilets in eben jener Estragon-Zitronensoße, die auf dem Herd simmerte. Nach dem Verveine-Sorbet, das im Hause Bouvier stets nach dem Fischgang gereicht wurde, warteten zwei herrliche Lammkeulen auf die Gäste. Fleisch von Milchlämmern aus der Herde von Lisas Bruder Félix. Die Keulen waren gut abgehangen und hatten über Nacht in einer Marinade aus Rotwein, Schalotten, Knoblauch und Minze gelegen. Nun schmorten sie seit zweieinhalb Stunden auf kleiner Flamme im Backofen. In einer guten Stunde wären sie auf den Punkt gegart und würden auf der Zunge zergehen.
    Lisa erhob sich ächzend und ging zu einem der Küchenschränke, holte ein Glas und eine angebrochene Flasche Calvados heraus und genehmigte sich einen kräftigen Schluck. Auch wenn es heute, bedingt durch die Hitze, besonders anstrengend in der Küche war - sie liebte ihre Tätigkeit in Le Cloître . Monsieur Bouvier war ein großzügiger Arbeitgeber, der ihr ein festes Gehalt von zweitausend Euro im Monat zahlte und die Sozialabgaben übernahm. Und das, obwohl sie gar nicht jeden Tag bei ihm in der Küche stand. Eigentlich arbeitete sie höchstens fünfzehn Tage im
Monat im ehemaligen Kloster. Trotzdem wartete im Küchenschrank stets eine Flasche Calvados auf sie, als kleine Stärkung … Ja, mit dem Job hier hatte sie mehr als Glück gehabt.
    Lisa leerte ihr Glas und goss sich noch einen kleinen Schluck nach. Die große Wanduhr neben der Küchentür schlug

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