Der Tote trägt Hut
direkt aus dem Krankenhaus«, erklärte sie mir.
»Bist du krank?«, fragte ich.
»Nein. Jetzt bin ich eine von euch.«
Als Hochzeitsgeschenk hatte Walter Sissi das Geschlecht gekauft, von dem sie träumte. Ich kreischte vor Freude, und wir tanzten im Laden herum, und sie warf Mair, die lächelnd hinter dem Tresen stehen blieb, Kusshändchen zu, und dann ging sie wieder zu ihrer Limousine und war weg. Ich wunderte mich, dass Mair das alles so gelassen nahm, erfuhr jedoch später, dass sie und Sissi zahlreiche Telefonberatungen geführt hatten, bevor es zum großen Schnipp kam. Man muss schon eine ganz besondere Mutter sein, wenn man mit seinem Sohn Strategien bespricht, wie er zur Frau werden kann.
Dieser Tag war auch für mich bedeutsam. Als Sissi weg war, ging ich in mein Zimmer, ihr altes Zimmer, und betrachtete mich im großen Spiegel. Dann rief ich Yot an und sagte ihm, ich hätte es mir anders überlegt und wolle ihn nun doch heiraten.
Yot war ein Freund, der unbedingt irgendjemanden heiraten wollte, was keine besonders vielversprechende Voraussetzung für ein gemeinsames Leben war. Für ihn sah die Ehe aus wie Werbung für Wandfarben. Ein debil grinsendes Pärchen in Arbeitshosen und partnerfarbigen Lacoste-Hemden, zwei komatöse, leicht übergewichtige Kinder, alle gemeinsam auf dem weichen, weißen Ledersofa. Iggy, der verspielte, reinrassige Golden Retriever, hält seinen Sabber für das Foto zurück. Ein echter Navaho-Läufer aus Phuket. Eine große Vase, die echte Kinder und ein echter Hund längst umgeworfen hätten. Wände mit Farben, die »Frühlingssonnenaufgang« und »Dickmilch« hießen, in einem Haus, das wie im Prospekt aussah. Wohlsituierte Pärchen als Nachbarn, die winken und »Guten Morgen!« wünschen und niemals furzen oder nachmittags Cocktails in den Treteimer kotzen, weil sie zu besoffen sind, um es bis ins Bad zu schaffen.
Ich hatte kein einziges Andenken, als meine 3,7-jährige Ehe mit Yot, dem Kassierer bei der Siam Commercial Bank, zu Ende ging. Wir machten keine Kinder, weder verzückt noch sonst wie, weil ich keine wollte. Wer will schon Kinder in die Welt setzen, wenn es Leute gibt, die schallisolierte Keller haben und in Lieferwagen herumfahren? Er dachte, er könnte es mir ausreden, aber da gab es für mich nichts zu verhandeln. Er dachte auch, er könne mir die Arbeit ausreden, damit ich in Hausfrauentracht mit seinem Abendessen auf ihn wartete, wenn er nach Hause kam, nachdem er den ganzen Tag lang Leuten mit Hautkrankheiten und ekligen Gewohnheiten Geld hingezählt hatte. Er dachte, er könnte mich zu femininen Kleidern und langen, lockigen Frisuren überreden. Vielleicht bin ich etwas langsam, aber ich brauchte eine Weile, bis ich merkte, dass er die Falsche geheiratet hatte. Von vornherein hatte er feste Vorstellungen gehabt und meinte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis ich so weit war, dass ich mich auf hochhackige Schuhe einließ.
Als er seinen Fehler einsah, blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als den Posten neu auszuschreiben. Er log wegen der Affären. Es waren vier, soweit ich weiß. Ich war enttäuscht wegen der ersten Affäre, und etwa drei Monate lang wegen der zweiten. Dann wurde mir bewusst, dass ich gar nicht in einem Strudel des Elends unterging, dass es mir im Grunde egal war. Ich hatte ein hübsches Zuhause und Kabelfernsehen und eine Waschmaschine und einen Trockner. Wozu brauchte ich einen Mann? Ich musste mir nur sagen, dass ich allein lebte. Ich liebte meine Arbeit. Meine Familie kam mich besuchen. Ich wünschte mir, Yot würde eines Tages nach Hause kommen und sagen: »Jimm, ich verlasse dich wegen eines langhaarigen Mädchens, das Kleider trägt.« Das wäre perfekt gewesen. Aber er sagte es nie und wohnte immer weiter in meinem Haus. Irgendwann war ich es leid, ihn in meinem Leben zu haben. Als ich ging, machte ich keinen Aufstand, es war kein Statement, ich war einfach mit ihm durch. Er versuchte gar nicht erst, mich irgendwie zurückzuhalten.
Was sollte ich dazu sagen?
Erst acht Jahre später hörten wir wieder von Sissi, als sie in Mairs Laden stand und fragte, ob sie ihr altes Zimmer wiederhaben könnte. Ich erschrak, als ich sah, was die Zeit mit ihr angestellt hatte. Jetzt sah sie aus wie eine achtundzwanzigjährige Exschönheitskönigin. Ihre weiten Kleider konnten nicht verbergen, dass sie ordentlich zugelegt hatte, und nicht mal mit zementdickem Make-up ließ sich das Gesicht noch straffen. Sie hatte sich gehen lassen und machte
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