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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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oder ob er irgendetwas Bestimmtes im Sinn hatte.
    »Gab es etwas, das die Polizei im wat Feuang Fa nicht gesehen hat, Opa?«
    »Allerdings, Jimm. Allerdings.«
    »Und was war das?«
    »Ein Hut.«
    »Ein Hut?«
    »Du sagtest, Abt Winai hätte einen Hut getragen. Er verdeckte sein Gesicht.«
    »So hat der Lieutenant es mir beschrieben.«
    »Und wie viele Mönche hast du schon gesehen, die Hüte tragen?«
    Darüber musste ich nachdenken. Im Norden gab es einige.
    »Oben in den Bergen tragen die Mönche immer kleine Wollmützen«, sagte ich.
    »Das stimmt. Manche kommen damit durch. Aber da geht es eher ums nackte Überleben. Besser, als zu erfrieren. Aber es ist immer noch gegen die Vorschriften. Hier unten wird man keinen Mönch finden, der tagsüber einen Hut trägt, ganz besonders keinen hochrangigen Abt.«
    »Es war heiß, Opa. Und er war alt.«
    »Heiß ist es überall, und die meisten Äbte sind fortgeschrittenen Alters. Trotzdem sieht man keine Hüte. Und zwar weil in den Mönchsregeln festgelegt ist, dass man keinen Hut tragen darf. Man darf einen orangefarbenen Schirm aufspannen oder sich sogar die Robe über den Kopf ziehen, aber ein hoher Abt, der ein solches Maß an Verantwortung erreicht hat, würde nicht mal im Traum die Regeln übertreten. Nie im Leben würde er einen Hut tragen.«
    Opa nahm seine Schale und den Löffel und ging damit in die Küche.
    »Danke, Opa.«
    Ich saß auf meiner Veranda auf dem Rattanstuhl, der immer vorlaut knarrte, als wöge ich achtzig Kilo, und klatschte Moskitos an meine nackten Arme. Ich erzählte mir eine Geschichte. »Ein Abt will in der Nachmittagshitze einen Spaziergang machen. Die Sonne brennt auf ihn herab. Da hängt ein hübscher Strohhut am Haken, den er sich nimmt. Keiner sieht ihn. Nichts passiert. Und er spaziert los, um sich an den Blüten zu erfreuen.« Wozu etwas so Simples verkomplizieren? Mair war eine wiedergeborene Buddhistin. Ich beschloss, sie zu fragen.
    Ich ging zum Laden. Mair saß am runden Betontisch direkt davor und unterhielt sich mit jemandem. Ich sah nur seinen Rücken vor den Lichtern des Ladens. Er war schlank und trug eine Kappe. Mair sah mich kommen und sagte etwas, woraufhin der Gast eilig aufstand, die Straße entlanglief und im Dunkel verschwand.
    »Wer war das?«, fragte ich.
    »Ein Kunde«, sagte sie.
    »Mair, du hast einen dreiwöchigen Intensivkurs in Meditation im wat Ongdoi gemacht, um eine bessere Buddhistin zu werden, und ich weiß ganz genau, dass an deiner Tür eine Liste mit den wichtigsten moralischen Grundsätzen hing, und der vierte Punkt lautete: ENTHALTE DICH FALSCHER REDEN!«
    »Ich rede nicht falsch. Das war ein Kunde.«
    »Es war Meng, der Plastikmarkisenmann. Mapraos berühmter Privatdetektiv.«
    »Er hat eine Schachtel Streichhölzer gekauft.«
    »Verdrehen ist so ähnlich wie Lügen. Was hatte er dir zu erzählen?«
    »Nichts.«
    »Mair.«
    »Wirklich. Er meinte, die meisten Leute besitzen das eine oder andere Gift. Es ist ein zu weites Feld. Wir müssen es eingrenzen.«
    »Mair, du versuchst herauszufinden, wer John getötet hat. Was bringt es dir? Du wirst sie nicht wieder zum Leben erwecken. Und Vergebung ist ein Segen, oder?«
    »Ich kann vergeben. Ich muss nur wissen, wem ich vergeben soll. Ich glaube, der Täter braucht das, um seine Schuld abzuladen.«
    »Du möchtest wissen, wer John vergiftet hat, damit du ihm sagen kannst, dass John ihm vergibt?«
    »Ja, genau.«
    Ich spürte meine Maprao-Migräne.
    »Es ist spät, Mair. Wir sollten den Laden zumachen.«
    Ich nahm eine beschämend kleine Summe aus der Schublade, die unsere Kasse war, machte das Licht aus und half Mair dabei, das Ladengitter herunterzulassen. Wir schlenderten zum Wasser, fanden eine Stelle ohne Quallen und setzten uns in den Sand. Krebse musterten uns hungrig. Ich startete den Timer an meiner Uhr. Mair lächelte den Mond an, der immer wieder hinter den Wolken hervorkam. Sie sah wirklich überall Schönheit. Ich erzählte ihr von Opa Jah und seinen neu entdeckten detektivischen Ambitionen. Ich dachte, sie würde mit mir darüber lachen, doch nahm sie nur meine Hand.
    »Dein Großvater Jah ist über den Rang eines Corporals nie hinausgekommen …«
    »Ich weiß. Deshalb war ich so erschrocken, als er …«
    »… weil er sich in den ganzen vierzig Jahren, die er bei der Polizei war, geweigert hat, Schmiergeld anzunehmen.«
    »Er …?«
    »Er machte sein Examen, aber wegen seines Rufs wollte ihn kein Revier haben. Er hatte eine Philosophie,

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