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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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einen Ehrenkodex. Er schwor, niemals dagegen zu verstoßen. Wenn etwas gegen das Gesetz war, dann war es gegen das Gesetz, egal, wer der Täter war. Daran änderte sich auch nichts durch die Einflussnahme mächtiger Personen oder den Druck von ranghöheren Polizeibeamten. Wer zu siebenundachtzig Prozent ehrlich war, war seiner Ansicht nach unehrlich. Er war einer der klügsten Rekruten seines Jahrgangs und wäre sicher schnell aufgestiegen, wenn denn … Aber ein sauberer Polizist führt den Kollegen nur vor Augen, wie schmutzig sie sind. Niemand traute ihm. Deine Oma wollte ihn überreden, hin und wieder Geld anzunehmen, um sich anzupassen, aber davon wollte er nichts hören. Also hat er vierzig Jahre lang mit seiner Trillerpfeife den Verkehr geregelt.«
    Ich spürte kleine Scheren, die an meinem Körper nagten. Die Zeitspanne, während der man sicher am Strand sitzen konnte, war weit überschritten. Mair hatte mich meinen Gedanken überlassen und war ins Bett gegangen. Jetzt war ich mit Gogos Hintern und den Krebsen ganz allein. Ein Fischerboot fuhr langsam vorbei. Einer der Männer stach mit einem schweren Stock auf das stille Wasser ein, um die Fische im Sand aufzuscheuchen und in die Netze zu treiben. Der stete Rhythmus war wie der Herzschlag eines Büffels. Mein eigener Puls hatte sich etwas beruhigt. Bei uns wurde es wirklich nie langweilig. Wieso hatten weder Mair noch Oma oder Opa Jah selbst uns von seinem Ehrenkodex erzählt? Dachten sie, wir würden ihn deshalb auslachen? War Ehrlichkeit denn peinlich? Warum, fragte ich mich, gab es in unserer Familie so viele Geheimnisse?

Kapitel 7
    »Lassen Sie mich eins klarstellen: Arme Leute sind nicht unbedingt Mörder. Nur weil man zufällig nicht reich ist, heißt das noch nicht, dass man zum Töten bereit wäre.«
    George W. Bush
    Washington, D. C., 19. März 2003
    A m nächsten Morgen wachte ich auf, weil jemand an die Tür meiner Hütte klopfte. Als ich aufmachte, stand Arny vor mir, mit nur einem Handtuch um die Hüften.
    »Sie sind weg«, sagte er.
    »Bitte?«
    »Die Gäste aus Zimmer zwei.«
    »Sie haben doch im Voraus bezahlt, oder?«
    »Ja, aber …«
    Constable Ma Dum war der arme Kerl, der das Verschwinden unseres Fernsehers untersuchen sollte. Aufrichtig wies er uns darauf hin, dass wir uns – da wir weder nach den persönlichen Daten des Pärchens in Zimmer zwei gefragt noch darauf bestanden hatten, bis zum Auschecken ihre Motorradzulassung einzubehalten – keine allzu großen Hoffnungen machen sollten, den gestohlenen Fernseher je wiederzusehen. Sicher mochte es Zeugen geben, die ein Pärchen auf einer rostschwarzen Suzuki mit einem klobigen Fernseher gesehen hatten, doch da auch das Bettzeug, die Handtücher und Vorhänge fehlten, konnte man wohl davon ausgehen, dass sie den Fernseher irgendwie getarnt hatten. Die Leute in dieser Gegend transportierten alles Mögliche auf ihren Mopeds.
    Damit war unser Fernseher schon so gut wie weiterverkauft. Ein geringfügiges Vergehen. Zimmer – zweihundert Baht. Verkauf des gebrauchten Fernsehers – fünfhundert Baht, höchstens. Profit etwa im Wert eines Mocha Supreme mit einem Cremetörtchen bei Starbucks. Als ich in Pak Nam angerufen hatte, um den Diebstahl zu melden, erkannte mich Sergeant Phoom sofort an der Stimme. Mein Name fand sich auf einem Bericht, den Major Mana abgezeichnet hatte. Um zehn Uhr tauchte er mit seinem glänzenden Polizeiwagen bei uns auf. Er gab sich ausgesprochen herablassend.
    »So, so …«, sagte er und rümpfte die Nase, während er mit den Händen hinterm Rücken herumtigerte wie ein allzu selbstbewusster Stierkämpfer. »Sie sind also wegen des VW-Falls in den Süden geflogen, haben gemerkt, wie gut es Ihnen hier gefällt, und prompt Ihre Familie überredet hierherzuziehen, hm? Kurz entschlossen.«
    »Ich habe nicht wirklich gesagt …«
    »Täuschung eines Polizeibeamten.«
    »Was keine Straftat ist, es sei denn, ich wäre Zeugin oder tatverdächtig«, erklärte ich ihm und biss mir sofort auf die Zunge. »Wie Sie sicher wissen.«
    »Natürlich. Und ich bin gewillt, Ihnen zu verzeihen.«
    Es ergab keinen Sinn, aber ich nahm es hin.
    »Danke.«
    »Schließlich haben Sie meinen Namen richtig buchstabiert, in drei großen Zeitungen.«
    Ich wusste es. Ich wette, er hatte am Morgen nach unserem Interview sämtliche Tageszeitungen gekauft.
    »Buchstabieren ist eine meiner Stärken«, erklärte ich ihm.
    »Und ich betrachte es eher als Beginn unserer Beziehung, nicht als Ende. Es

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