Der Tote trägt Hut
ein.
»Mordwaffe?«
»Bisher nicht, aber da drüben gäbe es reichlich Möglichkeiten, eine Waffe zu entsorgen.«
»Irgendwelche anderen Verdächtigen?«
»Nein. Hören Sie, ich darf wirklich nicht …«
»Wurde zum ungefähren Zeitpunkt des Mordes ein Auto oder Motorrad gesehen? Waren Fremde in der Stadt?«
»Nein.«
»Irgendjemand, der einen Groll gegen den Abt aus Bangkok gehegt haben könnte? Ich meine, schließlich war es sein Job, gegen leichtfertige Mönche vorzugehen und Empfehlungen auszusprechen, ob man ihnen das Gewand abnehmen sollte. Vielleicht kommt Rache als Motiv infrage.«
»Wir haben nichts gefunden. Oder besser gesagt: kein Kommentar.«
So viel zu unserer neuen, offenen Beziehung. Entweder hatten die Detectives aus Bangkok ihm nichts erzählt, oder es gab tatsächlich keine weiteren Verdächtigen oder Motive, oder er log mich an. Ich mag es nicht, wenn Leute mich anlügen. Er kam zu nah an mich heran und lächelte.
»Ich könnte ein Interview mit Abt Kem für Sie arrangieren«, sagte er.
»Ich habe bereits mit ihm gesprochen«, sagte ich herablassend.
Fassungslos starrte er mich an. Die Presse war im Power-ranking seiner Bewunderung um mehrere Stufen gestiegen, und ich wusste, dass es mit dem guten Major kein Techtelmechtel-Lunch mehr geben würde. Er lüpfte seine Mütze, versprach, nach unserem verlorenen Fernseher zu suchen, und winkte mir sogar zu, als er in seinen Wagen stieg.
Abt Kem war wieder zu Hause und wohnte in seiner Hütte hinter dem wat Feuang Fa. Zwei uniformierte Polizisten aus Lang Suan bewachten ihn, doch als ich in meiner Verkleidung – weiten Blümchenshorts bis über die Knie, Red-Bull-T-Shirt unter langärmligem Baumwollhemd, Flipflops und Strohhut – an ihnen vorüberradelte, blickten sie kaum von ihren Comics auf. Es war dermaßen offensichtlich, dass sie mich weder bewunderten noch fürchteten, dass es mich direkt deprimierte.
Ich fand den Abt allein vor. Er saß wieder auf seiner Treppenstufe und zeichnete irgendetwas vor sich in die heiße Luft. Die Hunde saßen ihm zu Füßen und folgten der Bewegung seines Zeigefingers.
»Guten Morgen«, sagte ich.
Er wandte sich mir zu und lächelte. Es machte nicht den Eindruck, als bereiteten ihm die Mordermittlungen größere Unannehmlichkeiten. Aber ich schätze, darum geht es wohl. Wenn du den Warp-Faktor Gamma drei im Selbstfindungsorbit erreicht hast, prallen weltliche Sorgen von deinem Schutzschild ab. Ich beneidete ihn. Ich hätte auch etwas Karma brauchen können, wenn die Affentrainer kamen, um Kokosnüsse zu sammeln, und die blöden Viecher sie absichtlich in mein Gemüsegärtchen warfen. Ich wünschte, ich hätte die Geduld, das alles ernst zu nehmen – das mit der Religion. Aber unablässig rasen frevelhafte Gedanken durch meinen Verstand wie eine lange, graffitibemalte U-Bahn durch einen Bahnhof. Unmöglich könnte ich diese bösen Gedanken abschütteln und rein werden. Ich würde implodieren.
»Wie ich sehe, hat man Sie rausgelassen«, sagte ich.
»Ja.«
»Wurden Sie gut behandelt?«
Auch ich watete durch Klischees. Ich musste mal ordentlich aufräumen.
»Ja.«
»Ich nehme an, es wurde nicht wirklich Anklage gegen Sie erhoben.«
»Nein.«
»Darf ich Ihnen noch ein paar Fragen zu diesem Tag stellen? Dem Tag, an dem Sie die Leiche gefunden haben?«
Ich hoffte, mir würde die eine oder andere Frage einfallen, die mehr als einsilbige Antworten auslöste.
»Ja.«
»Ist Ihnen irgendetwas Merkwürdiges an Abt Winai aufgefallen, als Sie ihn dort auf dem Pfad gefunden haben?«
»Merkwürdig?«
»Deplatziert, unlogisch, einfach merkwürdig.«
»Meinen Sie den Hut?«
Bingo. »Den meine ich.«
»Ich habe ihn der Polizei gegenüber erwähnt. Dieser Hut geht mir gar nicht aus dem Kopf. Aber die Detectives haben abgewinkt. Sie meinten, es sei ein heißer Tag gewesen … die Nachmittagssonne. Sie meinten, man sollte es dem Abt nachsehen, dass er einen Hut aufgesetzt hat.«
»Aber Sie sind anderer Ansicht.«
»Ich weiß, wie streng mein Freund die Regeln befolgte. Deshalb wurde er schließlich ausgewählt, Ermittlungen im Namen der Sangha durchzuführen. Es ist im Regelbuch klar festgelegt, fünftes Buch, vierte Regel, dass ein Mönch keinen Hut tragen darf.«
Langsam kam es mir albern vor.
»Was glauben Sie also könnte ihn dazu gebracht haben, mit der Tradition zu brechen und einen Hut aufzusetzen?«
»Das ist es ja. Das hat er nicht. Gerade erst hatten wir über meine prekäre Situation
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