Der Tote trägt Hut
diese blödsinnigen, amerikanischen Fernsehserien anzutun. Wissen Sie denn nicht, dass da alles frei erfunden ist?«
»Und woher wissen Sie dann, dass ich in Surat war? Langsam werden Sie mir unheimlich, Lieutenant.«
»Es ist ganz einfach. Stellen Sie sich eine Welt vor, in der es keine Fremden gibt, in der alle miteinander entweder verwandt oder bekannt sind.«
Ich stand nicht auf Witze über die Aristokratie.
»Klingt ungesund«, erklärte ich.
»Aber es gibt sie. Meine Mutter hat ein Mädchen, das ihr den Garten macht. Der Mann der Gärtnerin fährt Fisch von Lang Suan nach Surat. Der Besitzer eines der Restaurants, die er beliefert, hat eine Tochter, die den Dairy-Queen-Stand vor dem Home Art Mega Store betreibt. Ich habe sie gebeten, den Manager für mich zu beobachten. Klatsch und Tratsch vom Personal aufzuschnappen, so was in der Art.«
»Das klingt für mich moralisch nicht einwandfrei.«
»Jeder möchte gern mal Polizist spielen. Ich lasse sie nur ihre Fantasie ausleben. Und meine Dairy-Queen-Politesse hat mir heute früh gemeldet, sie hätte gestern Nachmittag beobachtet, wie eine Frau mit unvorteilhafter Frisur in Begleitung des Unglaublichen Hulk im Büro des Managers verschwunden und sehr lange dort geblieben sei. Sie hat sogar ein Foto mit ihrem Handy gemacht. Der technische Fortschritt erstaunt und ängstigt mich direkt … Sie sehen so bedrückt aus. Kann ich Ihnen helfen?«
»Sie hat gesagt, ich hätte eine unvorteilhafte Frisur?«
»Surat ist noch nicht bereit für den Scherenschnittmassaker-Look. Aber er steht Ihnen. Nehmen Sie es nicht so schwer. Sie arbeitet bei Dairy Queen – Gott steh ihr bei.«
»Aber wie zum Teufel haben Sie das mit dem Manager rausgefunden?« Meine Stimme war ein reiner Sopran.
»Ich bin Polizist«, sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken, und nichts deutete auf das Gegenteil hin. Lieutenant Chompu war tatsächlich Polizist. Man durfte sich nicht von den geringfügigen Nagellackresten täuschen lassen. Er beherrschte seinen Job. Wir machten einen Deal. Ich würde ihm alles über unser Interview mit Koon Boondej erzählen, und er würde mir anvertrauen, was das Labor in Prajuab herausgefunden hatte. Ich beschloss, ihm nichts von dem Fotoapparat zu erzählen, wohl aus Boshaftigkeit. Ich wollte etwas zurückhalten, weil ich sonst keine Lollis zum Verhandeln hatte. Es war ein Fehler, aber auch ich bin gegen Dummheit nicht immun. Ich beendete meine Erzählung zuerst. Er schlürfte die letzten blutgerinnungsmindernden Tropfen vom Boden seines Kaffeebechers.
»Gut gemacht«, sagte er. »Nein, wirklich. Sehr gut.«
»Sie sind sich darüber im Klaren, dass ich auf meine Instinkte baue …«, sagte ich.
»Kein Problem. Ihre Instinkte sind super. Aber damit stecken wir in einer bösen Sackgasse, was den VW angeht.«
»Nicht unbedingt. Zumindest wissen wir, dass es sich bei dem Pärchen im Bulli nicht um unschuldige Touristen handelte. Sie waren an einer kriminellen Handlung beteiligt. Es würde mich nicht wundern, wenn sie irgendwas angestellt hätten, mit dem sie Tante Chainawat vor den Kopf gestoßen haben, und sie sich an ihnen gerächt hat.«
»Ich kann mir nicht …«
»Tatsächlich würde es mich nicht wundern, wenn sie die ganze Sache mit dem Autoklau selbst organisiert hat. Ich wette, sie hatte ein ganzes Netz von mittellosen Pärchen, die unterwegs waren, um Autovermietungen zu betrügen. Sie brachten die gestohlenen Fahrzeuge zu ihr nach Hause, und die alte Dame hat sie dann rüber nach Malaysia oder nach Kambodscha verschifft oder für Ersatzteile zerlegen lassen.«
»Aber vermutlich nicht begraben.«
»Was? … Okay. Das ergibt keinen Sinn, aber …«
»Ich verliere das Vertrauen in Ihre Instinkte.«
»Nein, hören Sie weiter zu. Ein Pärchen will sie um Geld erpressen, also statuiert sie an den beiden ein Exempel. Lässt alle anderen Bandenmitglieder wissen, dass Aufmüpfigkeit nicht toleriert wird. Sie versammelt ihre Leute um den Fischteich und versenkt den Bulli langsam im Wasser. Die Türen sind zugeklebt. Jeder begreift, worum es geht. Sie weiß Loyalität zu schätzen. Ihre Leute gehen bedrückt nach Hause, wie Verwandte nach einer Beerdigung.«
»Ein, zwei Blasen steigen aus dem Tümpel auf«, sagte Chompu theatralisch. »Dann ist alles still. Eine einsame Seeschwalbe hebt ab, und wir folgen ihr mit dem Blick aufs Meer hinaus. Es wäre eine atemberaubende Schlussszene für die Kinoversion. Ich sehe Meryl Streep als die Patin. Heutzutage kann
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