Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)
Wer eine Beteiligung an etwas will, dreht sich nicht selbst den Hahn ab. Und was für eine Rolle sei Salvatore in dieser Variante zugedacht?
»Vielleicht wollten sie es ihm in die Schuhe schieben«, schlug Livia vor. »Vielleicht haben sie es zeitlich genau so eingefädelt, daß Salvatore an dem Abend kein Alibi vorweisen konnte oder aber eins, mit dem man vor der Polizei nicht prahlt.«
»Zum Beispiel?«
»Was weiß ich, vielleicht doch etwas mit Drogen. Dieser Giorgio hat vielleicht gar nicht mal so unrecht.«
Ein weiteres Szenario wiederum machte Salvatore zu der Figur, die in erster Linie für den Kunstraub oder zumindest für Verbindungen zu Kunstdieben verantwortlich war und den Cacciapuoti die gestohlenen Kunstobjekte verkauft hatte, die Umberto dann zum Teil, ob mit, ob ohne Salvatores Wissen, an Leute wie Jean weiterverscherbelt hatte…
Aber es fehlten für jede der Thesen Beweise. Es fehlte der Magnet, der das Knäuel an Informationen entwirren und ordnen konnte. Oder es fehlte die richtige Information.
Die Gedankenketten wurden vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Es war Luisa, Livias Freundin aus Bologna. Sie wollte die Früchte ihrer Erkundungen zum besten geben. Erstens: pechschwarze Zahlen bei den Vini Divini in Bologna, der Laden lief prächtig, Cacciapuoti hatte eine Reihe erstklassiger Restaurants in der ganzen Emilia Romagna beliefert. Keine Konkurrenz. Die Kontakte zu den anderen Weinhändlern: bestens. Zweitens – eine Information, die Luisa einzig und allein ihren scharfen Augen verdankte: Der Laden in Bologna gehörte bereits Fiorilla. Offenbar hatte Umberto ihn ihr aus steuerrechtlichen Gründen bereits vor Jahren überschrieben. Rechts oben über der Tür stand ein winzigkleines Schild mit den Namen: F. Gentile, darunter: U. Cacciapuoti. Die Lösung war Luisas Ansicht nach simpel: Gentile, so tippte sie, sei vermutlich der Mädchenname Fiorillas. Drittens: Im Telefonbuch standen unter dem Namen U. Cacciapuoti zwei Telefonnummern. Die zweite gehörte zu einem Appartement in einem ehrwürdigen, gepflegten Palazzo in der Altstadt. Luisa hatte ein wenig mit dem Portier geplaudert, einem alleinstehenden Mann um die Siebzig, der dem Wein durchaus zugeneigt war und erwähnte, daß er auch von Signor Cacciapuoti dann und wann eine Flasche erhalten habe. Ergebnis der gemeinsam geleerten Flasche Wein sowie viertens: Signor Cacciapuoti kam meistens in Damenbegleitung. Namen kannte der Portier selbstverständlich nicht. Die Signora Gentile sei einmal gemeinsam mit ihrem Mann angereist und namentlich vorgestellt worden. »Der kleine Unterschied«, nickte der Portier. »Die Frauen mit Namen und die ohne.«
Fiorilla Gentile, überlegte Livia. Irgend etwas an diesem Namen kam ihr bekannt vor. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, konnte sie sich nicht daran erinnern, wo sie ihn schon einmal gehört hatte.
32
Sie standen im strömenden Regen unter einem riesigen Regenschirm vor dem Eingang des Friedhofs Cimitero Nuovo und begutachteten die anderen Trauergäste, die sich – allesamt dunkel gekleidet – auf Grund familiärer, emotionaler oder anderweitiger Verpflichtung zu dieser unwirtlichen Zeit mit ernsten Mienen zum letzten Geleit eingefunden hatten. Die meisten waren mit dem Auto vorgefahren, das für einen höheren Satz als üblich – den Toten ihren Tribut – diesseits der Friedhofsmauer von selbsternannten Parkplatzwächtern bewacht wurde.
Wie Marlen von Giorgio erfahren hatte, sollte es eine bescheidene Trauerfeier werden: nur Familienangehörige, engste Freunde, die jeweiligen Geschäftsführer der Vini Divini Francesi. Kein großes Tamtam, kein Leichenzug von der Kirche Gesù Nuovo quer durch die Stadt mit aufwendigem Bestattungsritual und tausend in die Luft geschlagenen Kreuzen. Und somit auch kein Tribut an eines der neapolitanischen Beerdigungsunternehmen, die nicht nur den Weg ins Jenseits blumig und kostspielig gestalteten, sondern – das wußte jeder Gassenjunge – als famiglia vor allem im Diesseits absahnten. Von Giorgio hatten die Frauen erfahren, daß Fiorilla Cacciapuoti den Leiter der kriminalpolizeilichen Ermittlungen höchstpersönlich darum gebeten hatte, dafür zu sorgen, daß der Presse gewisse Dinge vorerst geheimgehalten werden. Dazu gehörte – aus Pietätsgründen – auch der Beisetzungstermin. Und noch etwas anderes, etwas offenbar Brisantes, worüber Giorgio sich unter keinerlei Bedingung äußern mochte – eine mit seinen Worten ebenfalls
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