Der Tote vom Kliff
Erneut zeigte er auf Dr. Dr. Buurhove.
Lüder sah mit Vergnügen, dass der Düsseldorfer
Unternehmensberater verärgert war über Konsul Hundeggers wiederholte Anrede »er
da«.
»Sie stellen hier Behauptungen auf, die fern jeder
Wahrheit sind«, schimpfte Dr. Dr. Buurhove.
»Natürlich gehören Sie nicht zum Kreis der
Eingeweihten. Aber vielleicht verfügen Sie über Papiere, die Sie sich illegal
beschafft haben.« Hundegger war nicht aus der Ruhe zu bringen. Das liegt nicht
nur an der schwäbischen Mentalität dieses Urgesteins, dachte Lüder. Der Mann
ist wirklich ein Unternehmer von echtem Schrot und Korn.
Dr. Dr. Buurhove lehnte sich zurück und verschränkte
die Arme vor der Brust. »Lächerlich«, sagte er und warf einen kurzen Blick auf
die Hermes-Aktenmappe, die zu seinen Füßen am Stuhlbein lehnte.
Lüder hatte diese instinktive Reaktion ebenso bemerkt
wie Große Jäger, der ihm das durch ein kurzes Augenzwinkern signalisierte.
»Dürfen wir einen Blick in Ihre Aktenmappe werfen?«,
fragte Lüder.
Dr. Dr. Buurhove ergriff die Tasche mit dem
Hermes-Emblem und drückte sie an seine Brust.
»Nein!«, sagte er mit Entschiedenheit. »Ich bin Anwalt
und habe hierin vertrauliche Unterlagen von Mandanten.«
»Sie sind nicht als Anwalt hier, sondern als
Unternehmensberater. Also?«
Dr. Dr. Buurhove stand auf und deutete eine kurze
Verneigung in Richtung des Senators an.
»Dieses Gespräch hat einen Verlauf genommen, der
absolut nicht meine Zustimmung findet. Sie entschuldigen mich bitte.« Der
Unternehmensberater hielt die Aktenmappe noch immer dicht an den Körper
gepresst und schlängelte sich an Große Jäger vorbei, der weitab vom Tisch saß
und sein linkes Bein über das rechte gelegt hatte. Dr. Dr. Buurhove hatte den
Oberkommissar gerade passiert, als er mitten in der Bewegung innehielt und
erstaunt aufsah.
Lüder hatte es als Erster bemerkt. Große Jäger, der
immer noch scheinbar ungerührt auf seinem Stuhl hockte, hatte den
Unternehmensberater von hinten am Sakko gepackt und hielt ihn eisern fest. Dr.
Dr. Buurhove schien sich zu straffen und reckte die Brust nach vorn. Lüder
hatte Probleme, ein lautes Lachen zurückzuhalten, als er sah, dass Große Jäger
jetzt das Sakko kräftig nach unten zog.
»Sind Sie närrisch geworden?« Es klang eher wie ein
Fluch statt wie eine Frage.
»Dr. Lüders hat gesagt, er möchte in die Tasche
gucken«, sagte der Oberkommissar im Plauderton. »Und als Kriminalrat ist er es
nicht gewohnt, Ihnen hinterherzulaufen. Deshalb halte ich Sie fest.«
Mit einem kräftigen Ruck befreite sich Dr. Dr.
Buurhove. Sein Gesicht war rot angelaufen. »Sie sind Zeuge dieser Tätlichkeit,
Herr Senator«, keuchte er in Richtung John Montag. Dann versuchte er mit
raschem Schritt Richtung Ausgang zu kommen, unterschätzte dabei Große Jägers
Beweglichkeit, die ihm kaum jemand zutraute. Der Oberkommissar war
aufgesprungen, hatte den überraschten Dr. Dr. Buurhove an den Oberarmen gepackt
und auf den Stuhl niedergedrückt, auf dem er selbst bis eben gesessen hatte. Im
selben Moment entwand er Dr. Dr. Buurhove die Aktenmappe und reichte sie Lüder.
»Das tun Sie nicht!«, schrie der Unternehmensberater,
als Lüder die Tasche öffnete. »Das ist ungesetzlich!«
Große Jäger legte seinen Zeigefinger auf die Lippen.
»Psst, Herr Dr. Buurhove. Contenance bitte. Wir sind hier nicht in der
Düsseldorfer Altstadt, sondern im vornehmen Überseeclub.«
Der Unternehmensberater sackte wie ein nasser Sack in
sich zusammen. Er hatte resigniert.
In der Mappe fanden sich ein in Leder gebundener
Kalender, ein Etui für Füller und Kugelschreiber, ein PDA , wie die kleinen elektronischen Kalender genannt werden,
mit denen auch E-Mails empfangen und bearbeitet werden können und die den
Zugang zum Internet ermöglichen. Bedeutsam waren aber ein paar Blätter, die in
einer billigen Plastikhülle steckten. Unter den neugierigen Blicken der
Anwesenden streckte Lüder die Hand in Richtung Große Jäger aus. Der stutzte
zunächst, liftete dann seinen Hosenboden ein wenig von der Sitzfläche und
fingerte ein Paar Einmalhandschuhe zutage.
Lüder streifte den dünnen Latex über und zog das
Papier hervor. Trotz der Handschuhe achtete er darauf, es nur am äußersten Rand
zu halten.
»Dr. Friedemann Laipple«, stand in dunkelgrauen
Buchstaben auf dem Kopf der Seiten. Darunter als Überschrift »Memorandum«. Es
war in Englisch abgefasst. Lüder las es durch und sah Senator Montag
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