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Der Tote vom Kliff

Der Tote vom Kliff

Titel: Der Tote vom Kliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Autoreisezugs
standen und das Wattenmeer links und rechts des Hindenburgdamms vorüberzog.
    »Was ist, wenn der Amerikaner zudringlich geworden ist
und die Frau sich gewehrt hat?«, warf Große Jäger ein, der in den Taschen
seiner Jeans nach einer zerknautschten Zigarettenpackung suchte und mit einem
Schulterzucken die Hände wieder hervorzog, als Lüder leise den Kopf schüttelte.
»Nee!«, gab der Oberkommissar selbst die Antwort. »Das trauen wir der Frau
nicht zu. Auch ihrem Mann nicht. Und im Umfeld der Familie Feddersen finden
sich bestimmt auch keine potenziellen Täter.«
    »Ist das nicht unprofessionell, im Vorhinein solche
Schlüsse zu ziehen?«, fragte Lüder.
    Große Jäger lachte meckernd. »Erfahrung. Intuition.
Und mein Bauchgefühl.« Er streichelte sich mit beiden Händen den Schmerbauch.
»Und gegen diese Masse kommt nichts an.«
    Im Stillen musste Lüder ihm recht geben. Imke
Feddersen war keine »Spur«.
    »Sie sind doch Jurist?«, wechselte Große Jäger das
Thema. »Einer mit Verwaltungserfahrung.« Er sah Lüder von der Seite an. Als
dieser schwieg, fuhr der Oberkommissar fort: »Ich wohne in Husum in der Herzog-Adolf-Straße.
Gegenüber befindet sich ein Parkstreifen, der für Besucher des nahen Bahnhofs
gedacht ist. Dort ist werktags in der Zeit von acht bis achtzehn Uhr das Parken
für maximal eine halbe Stunde erlaubt. Das hindert ein BMW -Dreier-Cabrio aber nicht daran, sich dort als
Dauerparker einzunisten. Der Halter zahlt lächelnd alle Strafmandate. Und
Abschleppen ist nicht zulässig, weil der Wagen niemanden behindert. Was kann
man dagegen machen?«
    »Das ist Aufgabe der Stadt. Und seitens der Polizei
ist das Bezirksrevier zuständig«, sagte Lüder. »Wieso kümmert sich die Kripo
darum?«
    »Nicht die Kripo. Nachbarn haben mich angesprochen.
Sie ärgern sich über die Ignoranz des BMW -Fahrers.
Und da man weiß, dass ich Polizist bin, glauben die Leute, ich könnte Abhilfe
schaffen.«
    »Das ist nicht mein Gebiet«, wiegelte Lüder ab. »Wenn
jemand konsequent die Verkehrsregeln missachtet, kann man auch ein Fahrverbot
erwirken. Aber das ist ein langer Weg.«
    Sie betrachteten eine Weile das links und rechts des
Hindenburgdamms in der fahlen Aprilsonne schimmernde Wattenmeer. Zwischen den
Buhnen hatte sich Schlick angesammelt, und irgendwann würde man auf diese Weise
das künstliche Bauwerk verbreitert haben. Der Zug rumpelte über die Strecke,
obwohl es hier, auf dem Damm, ein wenig ruhiger war. Sensible Naturen konnten
allerdings in Anbetracht des schlechten Zustands der Gleise allein durch die
Zugfahrt zur Insel seekrank werden.
    Langsam wich das Watt zurück, und der Deich auf der
Wattseite Sylts kündigte an, dass sie die Insel erreicht hatten. Ein kleines
Kiefernwäldchen, der Bahnhof von Morsum und der Blick auf die in den Osten
Sylts führende Straße mit überraschend lebhaftem Verkehr glitten an ihnen
vorüber. Im Keitumer Bahnhof verlangsamte der Zug seine Geschwindigkeit und hielt
schließlich ganz.
    »Ich begreife es nicht, warum man diese so stark
frequentierte Strecke immer noch nicht zweigleisig ausgebaut hat«, sagte Große
Jäger mürrisch. »Das ist für die Bahn eine Gelddruckmaschine. Deshalb wehrt sie
sich so vehement gegen einen Autodamm.«
    »Das würde aber Sylt einen Teil des Charakters
rauben«, gab Lüder zu bedenken. »Wenn die Insel an schönen Sommertagen von
Tagesgästen verstopft wäre, würde es niemandem etwas nützen.«
    Lüder hatte zum Hörer des Autotelefons gegriffen, der
es ihm erlaubte, ein Telefonat zu führen, ohne dass andere Insassen mithören
konnten, und wählte seinen Privatanschluss an.
    »Hallo, Lüder«, meldete sich sein Sohn Jonas, der die
hastige kindliche Sprechweise immer noch nicht abgelegt hatte. »Bist du
unterwegs, weil du von deinem Gangsterhandy anrufst?«
    »Das heißt nicht ›Gangsterhandy‹, sondern
›Diensttelefon‹«, erklärte Lüder.
    »Das ist doch dasselbe«, beschied Jonas, der seinen
Vater mit dem Vornamen ansprach und es Margits Kindern gleichtat, während er
Lüders Partnerin »Mama« nannte.
    »Ist Mutti da?«
    »Die macht mit den anderen rum«, erklärte Jonas. »Wo
steckst du?«
    »Ich bin mit Wilderich unterwegs.«
    »O geil! Mit Große Jäger? Endlich ist wieder was los.
Hau ab.« Der letzte Satz war nur halb in den Hörer gesprochen und galt einem
anderen Familienmitglied.
    »Ich will mit Papa sprechen«, vernahm Lüder aus dem
Hintergrund Sinjes Stimme.
    »Das geht nicht. Der ist mit Große

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