Der Tote vom Kliff
die
Steuerhinterziehung in Liechtenstein, Korruption und Bestechung, der Kauf
willfähriger Pseudogewerkschaftler oder die Gewährung von Lustreisen und
ausschweifenden Sexpartys. Sie kennen die Fälle und die Namen. Und der Sturz
der ›Unantastbaren‹ war danach immer schmerzhaft und tief.«
Dr. Laipples Gesicht überzog eine leichte Zornesröte.
»Die endlose Gier einiger weniger, das Unvermögen der
Manager, Krisen zu erkennen und Problemen entgegenzusteuern, haben letztlich zur
weltumspannenden Finanzkrise geführt und selbst die größten Banken in die
Insolvenz getrieben. Das nennen Sie Elite? Sind das die sogenannten
Leistungsträger, die einen immer größeren Anteil für sich beanspruchen,
ungeachtet des Elends, das sie über viele Menschen gebracht haben?«
Wortlos zeigte Dr. Laipple mit ausgestrecktem Arm
Richtung Ausgang. Dann drehte er sich ostentativ zum Fenster und wandte Lüder
den Rücken zu.
Lüder war sich bewusst, dass er zu weit gegangen war.
Es war nicht seine Aufgabe, Kritik zu üben. Aber die Selbstgefälligkeit dieses
Mannes hatte den Zorn in ihm keimen lassen. Hier ging es um eine
Mordermittlung. Und der Bankmanager tat so, als wäre es eine Zumutung, dass man
ihn einer Befragung unterzog. Und wie er mit Große Jäger umgegangen war,
entsprach nicht zivilisierten Umgangsformen.
An der Zimmertür erwartete ihn Frau Merckel und
geleitete ihn zum Nebenausgang. Dort konnte sich Lüder ein Grinsen nicht
verkneifen. Große Jäger wanderte mit verbissenem Gesichtsausdruck am Steinwall vor
dem Grundstück auf und ab.
»Das lasse ich mir nicht noch einmal bieten«,
schimpfte er Lüder von Weitem entgegen. »Ich bin doch nicht der dumme Junge
dieser Geldhansel.«
Lüder machte mit der rechten Hand eine beruhigende
Bewegung, während Große Jäger Richtung Haus sah und dann mit dem Finger auf ein
Tablett wies, das auf dem Wall stand. »Die haben mir einen Tee gebracht.
Abgefertigt vor der Tür wie der Trinknapf für Hunde vor einem Geschäft. Und
dann – Tee! Das allein rechtfertigt eine Anzeige wegen Körperverletzung.«
Lüder lachte. »Nun beruhige dich. Wärst du mit im
Hause gewesen, hättest du eine Anzeige wegen Körperverletzung erhalten, weil du
dem Laipple an die Gurgel gesprungen wärst.« Sie setzten sich ins Auto, und
Lüder berichtete.
»Was bilden sich diese Figuren eigentlich ein?«,
fluchte Große Jäger.
» Money makes the world go round «, merkte Lüder
an.
»Ich verstehe. Für Leute wie ihn da drinnen ist der
Globus ein Spielball. Und die bestimmen die Regeln.« Große Jäger schüttelte
heftig den Kopf. »Ich kenne das vom Fußball. Plötzlich steht auch der beste
Stürmer im Abseits.«
Lüder startete den Motor und ließ den BMW langsam Richtung Ortszentrum rollen.
Die Straße war nur einseitig bebaut. Neuere Appartementhäuser und Hotels wechselten
einander ab, während der Blick zur linken Seite auf die Dünenlandschaft führte,
die im Hintergrund durch das Kampener Querfeuer begrenzt wurde, das
Binnenländer gern als kleinen Leuchtturm bezeichnen.
Große Jäger warf einen Blick über die Schulter zum
Haus zurück. »Der Bewachungsaffe steht am Fenster und sieht uns nach. Zuvor hat
er uns fotografiert.«
»Ich weiß«, sagte Lüder. »Der Mann heißt Meyerlinck.
Und im Haus gibt es auch dezent angebrachte Kameras. Zumindest im Flur. Wir
werden jetzt zur Dienststelle nach Westerland fahren, und Kollege Paulsen wird
die Aufzeichnungen abholen.«
»Ist nicht«, sagte Große Jäger. »Die Kameras hat die
Spurensicherung auch schon entdeckt. Die Aufzeichnungen erfolgen nicht im
Hause, sondern werden zu einem Sicherheitsdienst übertragen.«
»Dann sprechen wir dort vor.«
»Haben die Kollegen schon gemacht. Auch die
Sonderkommission ist auf diese Spur gestoßen. Angeblich lag ein technischer
Fehler vor. Es gibt keine Aufzeichnungen.«
»Die hat jemand gelöscht«, stellte Lüder fest. »Dann
werden wir die Festplatte beschlagnahmen und in Kiel von der Kriminaltechnik
analysieren lassen.«
»Das wollte die Sonderkommission auch.«
»Und?«
»Oberstaatsanwalt Brechmann hat ihnen die Zustimmung
verweigert.«
Lüder war zornig. »Das klingt fast wie
Strafvereitelung im Amt.«
»Wollen Sie ihm das nachweisen?«, fragte Große Jäger.
Lüder ließ die Frage unbeantwortet. Er wusste selbst,
dass dies eine Sackgasse war.
»Es gibt weitere Neuigkeiten«, sagte der
Oberkommissar. »Am Mordtag wurde eine Reihe von Telefongesprächen zu Laipples
Haus und von dort
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