Der Tote vom Maschsee
hören, wenn du da anrufst.«
»Besser nicht«, wehrt Jule ab. »Du könntest einen falschen Eindruck
von mir bekommen.«
»Dann geh ich jetzt mal nach dem Diktiergerät forschen.«
»Soll ich mitkommen?«, fragt Jule scheinheilig.
»Nein, nicht nötig. Du hast ja sicher viel zu tun«, versichert
Fernando und verlässt eiligst das Büro, eine Wolke Drakkar
Noir hinterlassend.
Erika Schröder schlägt die Beine übereinander und wippt
nervös mit dem FuÃ. Er steckt in einem cremeweiÃen Pantöffelchen mit
Federpuscheln.
»Frau Schröder, ich möchte gerne wissen, wo Sie in der Nacht von
Montag auf Dienstag um Mitternacht waren.«
»Ich habe ihn nicht getötet.«
»Das sagen alle.«
Frau Schröder presst ihre Lippen zusammen. Sie ist eine zerbrechlich
wirkende Dame in den Vierzigern. In einem Hausanzug aus Kaschmir in Bahamabeige
kauert sie auf einem schwarzen Ledersofa, vor sich ein leeres Glas und eine
Hundertschaft zerknüllter Taschentücher.
»Ich war es nicht.«
»Sie haben Dr. Offermann über ein Jahr lang regelmäÃig angerufen,
ihm geschrieben und ihm an allen möglichen Orten aufgelauert â¦Â«
»Das ist nicht wahr!«, kommt es schrill.
»Doch, das ist wahr«, widerspricht Oda. »Es gibt Zeugen. Und
Offermanns Telefondaten.« Letzteres ist tatsächlich eine Lüge. Die Telekom
lässt sich wieder einmal Zeit mit der Datenerfassung.
Erneut füllen sich die groÃen blauen Augen mit Tränen. Eine Hand mit
perlmuttfarbenen Kunstnägeln wischt sie weg, die Wimperntusche hinterlässt
schwarze Schlieren.
»Vor ungefähr zwei Monaten haben Sie mit Ihren Aktivitäten
aufgehört. Warum?«
Ihre Schultern beben.
»Warum, Frau Schröder?«, bohrt Oda nach. Diese Heulsuse nervt.
»Ich stand vor seinem Haus. Ich stand nur da, ich habe nichts getan.
Plötzlich kamen zwei Männer auf mich zu und haben mich gepackt, mir den Mund
zugehalten und die Arme verdreht, und mich in ein Auto geschleppt, einen
schwarzen Geländewagen. Sie haben mir einen Sack über den Kopf gestülpt und
gesagt, wenn ich schreie, würden sie mich umbringen. Dann sind wir gefahren und
gefahren ⦠Ich hatte Todesangst. Mitten im Wald haben sie mich rausgeworfen.«
»Im Wald?«
»Es war die Eilenriede. Aber das habe ich erst hinterher gemerkt«,
sagt Frau Schröder und schnäuzt sich die Nase.
Was ist das denn für eine Räubergeschichte, fragt sich Oda. »Haben
die was zu Ihnen gesagt?«
»Sie haben mich getreten. Als sie mich aus dem Auto warfen, haben
sie mich getreten und mir Sachen gesagt â¦Â« Sie hält inne. Ihr tränentrüber
Blick richtet sich abwechselnd auf den geschorenen Rasen des Gartens und auf
ein Mahagoni-Schränkchen, in dem Oda die Hausbar vermutet.
»Was für Sachen?«
»Ordinäre.«
»Sprachen sie Deutsch?«
»Ja, aber mit Akzent. Russisch oder so.«
»Haben Sie die Polizei verständigt?«
Erika Schröder schüttelt stumm den Kopf.
»Hat Dr. Offermann Sie mal gewarnt oder bedroht?«
»Nein. Was denken Sie nur? Martin hätte so etwas nie getan. Ich war
ihm nie lästig. Er mochte es, wenn ich für ihn da war. Es schmeichelte ihm.«
Daran mag möglicherweise sogar etwas Wahres sein. »Sie waren sehr
oft in seiner Nähe, nicht wahr?«
»Ja«, gesteht sie und starrt zum Fenster hinaus in das geordnete
Nichts des Gartens.
Stalking als Lebensinhalt, wie armselig, denkt Oda. »Haben Sie
Damenbesuche bei Dr. Offermann bemerkt?«
Frau Schröder schüttelt den Kopf. »Nur diese Dunkelhaarige, die bei
ihm arbeitet.« Ihre Stimme verströmt Bitterkeit. »Aber Martin hat sie nicht
geliebt. Das war nur Sex. Männer sind eben so.«
»Aber Sie haben Herrn Dr. Offermann geliebt, nicht wahr?« Oda ringt
sich einen verständnisvollen Blick ab. Zu einem Lächeln reicht es beim besten
Willen nicht. Frauen wie diese machen Oda aggressiv. Frau Schröder zieht das
letzte Papiertaschentuch aus der Packung.
»Und Sie haben ihn auch noch nach dem Ãberfall geliebt?«, forscht
Oda weiter.
Die blauen Puppenaugen schauen Oda verständnislos an. »Mein Mann war
das, der hat mir diese Schläger auf den Hals gehetzt«, erklärt Erika Schröder
wütend. »Er hat mir immer wieder gesagt, dass ich dämlich wäre und krank
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