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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Leute waren, aber das wollte er nicht zugeben. »Man muss verdammt verflixt tief graben«, erklärte er stattdessen.
    »Los geht’s«, sagte Henning Keeswarden. »Wir haben ja schließlich den ganzen Tag. Neulich hab ich ein Loch gegraben, das fast durch die ganze Erde ging. Ich war fast auf der anderen Seite, aber dann musste ich zum Essen nach Hause. Ich konnte sie schon reden hören.«

    »Reden?«
    Fingal konnte sein Erstaunen nicht verbergen.
    »Die Chinesen. So weit war ich schon. Ich hab das Ohr unten auf den Boden gedrückt und konnte sie ganz deutlich hören. Aber ich hab natürlich nichts verstanden, die sprechen doch eine andere Sprache, die Chinesen. Sollen wir jetzt ein Loch graben, das tief genug ist?«
    »Aber klar«, sagte Fingal Wielki.
     
    Die Vettern buddelten. Fingal hatte einen roten und viel neueren Spaten als Henning, dessen blauer schon etwas mitgenommen war. Vielleicht hatte er beim letzten Versuch, China zu erreichen, Schaden genommen, das wäre ja einzusehen. Aber ein roter Spaten gräbt ohnehin immer schneller als ein blauer.
    Noch immer war es Morgen. Sie waren eben erst mit ihren Müttern zum Strand gekommen, zwei Schwestern, die jetzt auf dem Rücken lagen und ihre Brüste sonnten, so ein Strand war das nämlich.
    Das Graben war ziemlich leicht. Zumindest am Anfang. Schon bald aber fing der hochgeworfene Sand an, zurück ins Loch zu rieseln. Hennig sagte, sie müssten es ein wenig verbreitern. Es war mühselig, in die Breite zu graben, wo es doch zu den Chinesen steil abwärts ging, aber wer vorankommen will, muss eben kleine Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen. Und zupacken!
    Deshalb legte Henning los, und Fingal folgte seinem Beispiel.
     
    »Halt die Klappe, vielleicht kann ich ja schon was hören«, sagte Henning, als das Loch so tief war, dass nur noch Schultern und Kopf zu sehen waren, wenn man auf dem Boden stand. Zumindest bei Fingal, der zehn Zentimeter kleiner war als sein Vetter.
    »Pst«, sagte Fingal und hielt sich den Finger an die Lippen, während Henning sein Ohr gegen den feuchten Sand presste.
    »Hörst du was?«, fragte er, als Henning sich wieder aufrichtete und sich Sand aus dem Ohr wischte.

    »Es war noch ganz leise«, erklärte Henning als erfahrener Gräber. »Wir müssen noch eine Weile weitermachen. Sollen wir jetzt mal Sklave spielen?«
    »Sklave? Ja klar«, sagte Fingal, dem gerade nicht einfiel, was das nun wieder war.
    Henning kletterte aus dem Loch.
    »Du bist jetzt der Sklave, und ich bin der Sklaventreiber. Du musst alles tun, was ich sage, sonst bring ich dich um und fresse dich dann auf.«
    »Alles klar«, sagte Fingal.
    »Graben!«, schrie Henning mit drohender Stimme. »Graben, du mieser, fauler Sklave!«
    Fingal langte wieder zu. Er grub und grub, dass der Sand nur so aufstob, aber so dicht bei China war er schwer und weich.
    »Graben«, schrie Henning noch einmal. »Und du musst Yes, Mister sagen.«
    »Jesmister«, sagte Fingal und buddelte weiter.
    Bald müssen wir doch in China sein, dachte er, wagte aber nicht, seine Arbeit zu unterbrechen, um zu horchen. Dann würde sein Vetter ihn totschlagen und auffressen. Was keine lustige Aussicht war. Deshalb grub er ein wenig schräg zur Seite, das ging leicht. Vielleicht lag China ja in der Richtung, er ahnte schon, dass es so war.
    »Graben, du fauler Neger!«, schrie Henning.
    Fingals Arme taten wirklich weh, vor allem der rechte, den er ein halbes Jahr zuvor beim Schlittschuhlaufen gebrochen hatte. Aber er gab nicht auf. Er holte mit dem Spaten aus und rammte ihn mit voller Kraft in die Sandwand des Loches.
    Eine kleine Lawine kam von oben, aber das machte nichts. Er wusste trotzdem, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Endlich. Ein Fuß ragte aus dem Sand.
    Ein Fuß mit fünf Zehen und sandiger Sohle. Ein echter Chinesenfuß!
    »Da sind wir«, rief er. »Schau mal!«
    Der Sklaventreiber sprang in die Grube, um sich die Sache
anzusehen. Ja verdammt! Sie hatten so tief gegraben, dass sie schon bei den Fußsohlen der Chinesen angekommen waren.
    »Gut gemacht«, sagte er.
    Das einzig Seltsame – und was die Theorie, die Erde sei rund, ja doch in Zweifel zog – war, dass der Fuß nicht unten in der Grube aufgetaucht war, sondern an der Seite. Er ragte aus der Wand heraus, und das Bein, an dem der Fuß festsaß, schien sich ebenfalls auf der Seite zu befinden.
    Aber das war eine Nebensächlichkeit.
    »Wir graben den Sand weg und sehen uns den Rest an«, entschied Henning Keeswarden, der seinen Posten als

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