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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Fahrgeschäfts überschlug. Dan Lomax wurde schwer verletzt und befindet sich noch auf der Intensivstation. Das Paar hatte erst im letzten Monat geheiratet.«
    Er blieb mitten im Schlafzimmer stehen, noch nackt nach dem Duschen, fasziniert vom Bericht im Radio. Es war zehn Uhr. Er hatte schon abschalten wollen, als die Meldung kam. Jetzt stand er da, während der Nachrichtensprecher weiterplapperte, und sein Mund verzog sich zu dem Lächeln, das er nie unterdrücken konnte.
    Auf dem Töpfermarkt war also nichts passiert!
    Und doch war es passiert, obwohl er keinen Finger krumm gemacht hatte. Irgendetwas kümmerte sich um ihn.
    Er zog das alte graue T-Shirt und die Shorts an, die er im Bett trug. Er würde ein bisschen lesen, bevor er noch einmal hineinhörte. In Radio Bevham kamen alle halbe Stunde Lokalnachrichten. Er konnte es kaum erwarten.

[home]
    Sechzig
    A
ls Äbtissin des Paraklet schrieb Héloïse an ihren früheren Geliebten Abaelard und bat ihn um Anleitung, welche Klosterregeln von Nonnen angenommen werden sollten. Ihr Brief sprach ein heikles Thema an: das Fehlen einer Ordensregel für Frauen …«
    Das Läuten auf ihrem Schreibtisch ließ Jane zusammenfahren. Sie hatte seit einer Stunde gearbeitet und war derart vertieft in
Mönchsorden in Yorkshire 1069 bis 1215 ,
dass sie das Telefon im ersten Moment verwirrt anschaute, bevor sie abhob.
    »Jane, Peter Wakelin hier. Hast du vielleicht ein paar Minuten Zeit?«
    »Ja, natürlich.«
    »Ich muss für zwei Sonntage im November einiges umorganisieren.«
    »Soll ich vorbeikommen?«
    »Das wäre gut – sonst ginge es auch nach dem Abendessen.«
    Die Räume des Deans befanden sich auf der Ostseite des Hofs und gingen auf die Backs hinaus, wo sie schmaler wurden und der Cam unter der Martyr’s Bridge hindurchfloss. Orangefarbene und braune Blätter schwammen auf dem Fluss, als Jane und Peter am Fenster standen und hinunterblickten. Zwei Wochen zuvor hatte sie keine Menschenseele gesehen. Jetzt, da das neue Semester angefangen hatte, herrschte reges Treiben, junge Leute fuhren Rad, gingen spazieren oder standen in Gruppen zusammen.
    »Mir gefällt es, so voller Leben«, sagte Jane, »aber ich mag es auch, wenn es menschenleer ist.«
    Peter Wakelin nickte.
    Bevor sie ihn kennenlernte, hatte sie das Bild des Deans aus ihren Studienzeiten vor Augen gehabt, eines dünnen, hakennasigen Mannes mit sauertöpfischem Verhalten ohne jede Freundlichkeit oder Sensibilität gegenüber den jungen Menschen. In Janes letztem Studienjahr war er plötzlich gestorben, und sie hatte sich gewundert, dass er erst fünfundsechzig gewesen war. Auch Peter Wakelin war eine Überraschung gewesen. Er war Anfang vierzig und in Yorkshire geboren und aufgewachsen.
    »Man hat mich gebeten, im November für zehn Tage in die Kathedrale in Washington zu kommen. Darunter fallen zwei Sonntage, weshalb wir die Prediger umorganisieren müssen, und ich habe mich gefragt, ob du den ersten Sonntag übernehmen könntest. Ich weiß, dass du an dem Tag auch die Abendandacht leitest. Ist das zu viel?«
    »Ist schon in Ordnung. Schön, um Allerheiligen rum zu predigen.«
    »Mir ist durchaus bewusst, dass deine Zeit begrenzt ist. Ich möchte dich nicht drängen, Jane. Du hast die Seelsorge und deine Promotion – und dann machst du auch hier noch etwas … Gönn dir zwischendurch ein bisschen Spaß.«
    »Mir geht es gut. Eigentlich gefällt es mir, die drei Sachen unter einen Hut zu bringen. Es funktioniert ganz gut, obwohl mir die Arbeit im Krankenhaus wohl am meisten zusagt.«
    Er runzelte leicht die Stirn. »Da stand ich heute Morgen vor einem Dilemma. Kann ich dich um Rat fragen?«
    »Mich?«
    »Warum nicht? Du hast in einem Hospiz gearbeitet, ich nicht. Obwohl ich Hospize natürlich gut genug kenne.«
    Sie setzten sich ans Fenster. Doch Peter Wakelin schwieg eine Weile, sah nur hinaus auf den Nebel, der tief über dem Wasser hing. Jane wartete. Sie wusste wenig über ihn. Fragte sich, was er zu sagen hatte.
    »Ich wurde zu einer älteren Frau gerufen«, sagte er schließlich. »Sie hat Alzheimer, und heute Morgen hatte sie einen Schlaganfall. Sie lebte und war bei Bewusstsein. Niemand konnte so recht eine Prognose stellen, doch ihre Lebensqualität war auf jeden Fall sehr gering. Ihre Familie – Söhne, Schwiegertochter – hatte gebeten, ob man sie ›sanft einschlafen lassen‹ könne, wie sie es ausdrückten. Die Ärzte weigerten sich natürlich, daher rief die Familie mich. Wollte ›meine

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