Der Totenerwecker (German Edition)
beleidigte, aber er hatte es trotzdem getan. Sie gab sich alle Mühe, ihn nicht als typischen chauvinistischen Latino-Macho abzustempeln, aber sie besaß nun einmal Vorurteile, egal für wie liberal und aufgeklärt sie sich hielt. Typen wie Mike Torres brachten sie unweigerlich zum Vorschein.
Eine Weile saßen sie in angespannter, unbehaglicher Stille da. Dann drehte Sarah sich zu Malcovich um.
»Harry? Wenn wir hier fertig sind, können Sie mich dann zu Dorothy Madigan bringen?«
Der Detective starrte Sarah an.
»Warum?«
»Ich möchte sie sehen. Und mit ihr reden. Ich will ihr sagen, dass ich ihr glaube.«
»Sie haben recht, das sollten wir tun. Okay, ich bring Sie hin. Sind Sie denn sicher, dass Sie jetzt gleich fahren wollen? Wir können gerne bis morgen warten.«
»Ich denke, ich sollte es sofort tun. Auch damit ... damit ich nicht den Verstand verliere.«
»Okay. Dann brechen wir gleich auf.«
Josh kam aus dem Untersuchungszimmer. Er machte einen blassen und geschockten Eindruck. Sofort eilte Sarah zu ihm und schlang die Arme um ihn. Harry wurde als Nächster hineingebeten.
»Großartig«, brummte er. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so etwas über mich ergehen lassen muss. Ich bring dieses Arschloch um, wenn ich ihn erwische.«
Vor sich hin brummelnd schlurfte er in den Untersuchungsraum. Lassiter wollte ihm folgen, aber er hielt sie zurück.
»Sie sind wohl verrückt«, sagte er. »Setzen Sie sich, Trina. Ich kann mir selbst die Hand halten. Das gilt auch für Sie«, fügte er, an die Opferberaterin gewandt, hinzu. Er folgte der Krankenschwester in den Raum und ließ Lassiter und Burns im Flur stehen.
Sarah sah zu ihrem Mann auf. »Ist alles okay?«
»Die Laborergebnisse kommen erst morgen, aber sie haben keine äußeren Anzeichen einer Vergewaltigung gefunden. Nicht dass das etwas heißt. Auch bei dir haben sie keine Risse oder Abschürfungen entdeckt. Lassiter sagt, dass sie auf den Abstrichen nichts gesehen hat, was wie Sperma aussieht, aber genau wissen wir’s erst, wenn die Untersuchung gelaufen ist.«
»Ich habe Harry gebeten, mit mir zu Dorothy Madigan zu fahren. Das ist die Frau, die Dale vor mir vergewaltigt hat und die sich angezündet hat.«
»Mein Gott. Warum? Ich meine, bist du sicher?«
»Ich glaub, ich muss es tun. Ich will wissen, was er ihr angetan hat. Und ihr erzählen, was er mit mir gemacht hat. Sie soll wissen, dass ich ihr glaube. Und ich will ihr ein Versprechen geben.«
»Ein Versprechen?«
»Ich will ihr versprechen, dass ich nicht zulasse, dass Dale noch jemandem das antut, was er uns angetan hat. Ich will ihr versprechen, dass ich ihn aufhalten werde.«
Kapitel 29
Das Nevada Mental Health Institute war ein trister, grauer Bau mit grob verputzten Wänden, bronze getönten Scheiben und einer zweieinhalb Meter hohen Skulptur auf dem Vorplatz, die aus Aluminium und rostfreiem Stahl bestand und der Kreuzung aus einem Gehirn und einem Sonnensystem glich. Die Anstalt lag gegenüber dem Sunset Hospital an der Eastern Avenue, und seit Sarah in Las Vegas lebte, war sie bestimmt schon ein Dutzend Mal daran vorbeigefahren, ohne das Gebäude zu bemerken.
Der Komplex, der beinahe so groß war wie das gegenüberliegende Krankenhaus, wurde von einem kleinen privaten Patientenpark umschlossen, in dem es Spazierwege gab, einen Bocciaplatz und sogar einen Tenniscourt. Der Belag des Parkplatzes vor dem Gebäude war an vielen Stellen aufgebrochen und mit Schlaglöchern übersät. Zwischen den Rissen wucherte Unkraut. Nur wenige Fahrzeuge parkten dort, darunter ein Krankenwagen, der in der Sperrzone direkt vor dem Gebäude stand. Wäre nicht der sorgsam gepflegte Rasen gewesen, der den hinteren Teil der Anstalt umgab, man hätte sie für eine der vielen zur Zwangsversteigerung vorgesehenen Immobilien halten können.
Sarah und Josh stellten ihren Saturn direkt vor dem Gebäude neben dem Wagen der Polizisten ab. Sarah war überrascht, als auch Lassiter und Torres ausstiegen und zusammen mit Harry auf das Gebäude zugingen.
»Wir gehen alle hinein?«
»Ja«, sagte Lassiter, »ich möchte ihre Geschichte hören. Einen Sinn dafür bekommen, was hier vor sich geht. Ich kann das alles immer noch nicht glauben.«
»Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich’s nicht glaube«, knurrte Torres.
»Erzählen Sie Dorothy das nicht. Wir sind hier, um ihr zu versichern, dass sie nicht verrückt ist, und nicht, um noch mehr Zweifel bei ihr zu wecken.«
Gemeinsam betraten sie das
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