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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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früher. Warum war er hergekommen?, fragte sich Ramone. Damals war Holiday mit Leib und Seele Polizist gewesen. Wahrscheinlich war er jetzt einer jener traurigen Ex-Cops, die immer noch den Polizeifunk mithörten, obwohl sie Dienstmarke und Waffe längst abgegeben hatten. Vielleicht machte es Holiday einfach zu schaffen, dass er kein Polizist mehr war. Tja, das hätte er sich überlegen sollen, bevor er sich auf krumme Sachen einließ.
    Holidays Bild verblasste. Stattdessen dachte Ramone an Asa Johnson und an die Angst, die der Junge in den letzten Momenten seines Lebens ausgestanden haben musste. Er dachte an Asas Eltern, Terrance und Helena. Er sah Asas Namen vor sich, drehte ihn im Geiste herum und sah dasselbe. Eine Weile lang saß er da und hing diesem Gedanken nach. Dann dachte Ramone an seinen Sohn.
    Er ließ den Motor an und fuhr in Richtung Innenstadt.

    Holiday starrte in seinen Drink. Er trank einen Schluck, dann noch einen, ehe er das Glas mit den Eiswürfeln wieder auf die Theke stellte. Er hätte nicht an den Schauplatz des Verbrechens zurückkehren sollen. Er war neugierig gewesen, weiter nichts.
    »Erzähl uns eine Geschichte, Doc«, forderte Jerry Fink ihn auf.
    »Mir fällt gerade keine ein«, sagte Holiday. Er konnte sich nicht einmal mehr an den Namen der Frau erinnern, mit der er am Vorabend im Bett gewesen war.
    Bob Bonano kam von der Jukebox zurück. Er hatte gerade ein paar Quarter eingeworfen und schlenderte jetzt wieder an die Bar, während eine klagende Mundharmonika einsetzte und die ersten schwermütigen Akkorde von »In the Ghetto« Leo’s Bar erfüllten.
    »Elvis«, stellte Jerry Fink fest. »Mit seinem Versuch, sozialkritisch zu sein. Wer hat ihm nur eingeredet, er wäre Dylan?«
    »Genau«, stimmte Bonano zu. »Aber von wem ist diese Version?«
    Eine Frau sang die erste Strophe. Fink und Bradley West, der neben Holiday saß, schlossen die Augen.
    »Das ist doch die, die auch ›Band of Gold‹ gesungen hat«, sagte Jerry Fink.
    »Niemals«, widersprach Bonano.
    Holiday nahm die Musik gar nicht wahr. Er dachte an Gus Ramone, wie er sich über die Leiche des Jungen gebeugt hatte. Eine verdammte Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Ramone an dem Fall dran war.
    »Sie hat auch diesen Vietnam-Song gemacht«, sagte West. ›»Bring the Boys Home« oder so, stimmt’s?«
    »Das war Freda Payne, und es ist mir egal, was sie sonst noch gesungen hat«, entgegnete Bonano. Er blies in ein Päckchen Marlboro Lights und beobachtete, wie das Filterende einer Zigarette heraussprang.»Das hier ist aber nicht von ihr.«
    Holiday fragte sich, ob Ramone bemerkt hatte, dass der Vorname des Jungen – Asa – vorwärts und rückwärts gleich lautete. Ein Palindrom …
    »Und von wem ist es dann, du Klugscheißer?«, fragte Fink.
    »Candi Staton«, sagte Bonano und zündete seine Zigarette an.
    »Das weißt du nur, weil du den Namen an der Jukebox gelesen hast«, protestierte Fink.
    »Jetzt kommt die Ein-Dollar-Frage«, sagte Bonano, ohne Finks Einwand zu beachten.»Was war Candi Statons großer Hit?«
    Holiday fragte sich, ob Ramone den Jungen mit den anderen jugendlichen Mordopfern in Verbindung gebracht hatte, deren Namen Palindrome waren. Und die alle ebenfalls durch Kopfschuss getötet in Gemeindegärten in unterschiedlichen Stadtteilen aufgefunden worden waren.
    Ramone war kein schlechter Cop, auch wenn Holiday vermutete, dass er sich selbst im Weg stand, indem er sich so sklavisch an die Vorschriften hielt. Jedenfalls war er nicht annähernd so gut wie er, Holiday, seinerzeit. Ihm fehlte der gute Draht zu den Bürgern, der Holidays besondere Stärke gewesen war. Und die Jahre, die Ramone bei der Internal Affairs Division hauptsächlich am Schreibtisch verbracht hatte, waren für den Cop Ramone auch nicht gut gewesen.
    »Keine Ahnung«, sagte Fink.
    »›Young Hearts Run Free«‹, verkündete Bonano mit selbstzufriedenem Grinsen.
    »Na klar, ein Disco-Hit«, spottete Fink. »Hätt ich mir denken können, dass du auf so was stehst.«
    »Ich hab nicht gesagt, dass er mir gefällt. Aber du schuldest mir einen Dollar, du Mistkerl.«
    »Ich hab keinen Dollar.«
    Bonano packte Fink im Nacken und zog seinen Kopf in Richtung seines Unterleibs herunter. »Wie wär’s dann mit einer kleinen Gefälligkeit?«
    Holiday leerte sein Glas und legte Geld auf den Tresen.
    »Warum so eilig, Doc?«, fragte West.
    Holiday erwiderte: »Ich hab einen Auftrag.«

    Ramone erschien zur Anklageerhebung gegen Tyree,

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