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Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
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Markt in Wuyishan. Ich wollte einen neuen Büffel kaufen, weil mein nichtsnutziger Bruder …«, er deutete auf Ci, »weil der da dem einzigen, den ich hatte, das Bein gebrochen hat.«
    »Mit dreitausend Qian? Genug der Lügen! Jeder weiß, dass ein Büffel vierzigtausend kostet!«, rief Feng scharf dazwischen.
    »Ich wollte nur eine erste Rate bezahlen«, verteidigte sich Lu.
    »Klar, mit dem geraubten Geld. Du hast gerade selbst gesagt, dass du alles verloren hattest, was du besaßest, und dein eigener Vater bestätigt, dass du verschuldet bist.«
    »Diese dreitausend Qian habe ich von einem Kerl gewonnen, nachdem ich die Taverne verlassen hatte.«
    »Ah. Und wer war das? Ich vermute, dass diese Person das bezeugen kann?«
    »Nein … ich weiß nicht … ich hatte ihn nie zuvor gesehen. Ein Betrunkener, der anbot, zu spielen, und dann verlor. Er war es auch, der mir erzählt hat, dass in Wuyishan günstig Büffel verkauft werden.Was sollte ich denn tun? Ihm den Gewinn zurückgeben?«
    Richter Feng trat vor den Tisch, der als Podest diente, und bat den Hüter der Weisheit um Erlaubnis, zu sprechen. Er ging hinüber zu Lu und band die Kordel mit den Münzen los, die noch immer an seinem Gürtel hing, um sie dem Sohn des Verstorbenen zu zeigen.
    »Die gehörte meinem Vater«, bestätigte der Sohn mit Blick auf die Kordel. Da sich die Räuber üblicherweise mit der kompletten Schnur aus dem Staub machten, hatte sich unter den Bauern die Gewohnheit verbreitet, die Kordeln, auf denen die Münzen aufgezogen waren, individuell zu kennzeichnen, um sie im Falle eines Raubes identifizieren zu können. Der Hüter nickte Feng zu und ging noch einmal seine Unterlagen durch.
    »Sag, Lu, erkennst du diese Sichel?« Er gab einen Wink, damit der Gerichtsdiener sie ihm reichte.
    Der Gefangene betrachtete sie ohne erkennbare Regung.
    »Ist das deine?«, beharrte der Hüter.
    Lu nickte.
    »Wie es in dem Bericht heißt«, fuhr der Justizbeamte fort, »bringt Richter Feng diese Sichel unzweifelhaft mit demMord in Verbindung, und obwohl diese Tatsache und das Geld bereits ausreichende Beweise wären, um dich zu verurteilen, schreibt das Gesetz vor, dass ich dich zum Geständnis bringen muss.«
    »Ich sage Euch noch einmal …« Lu stockte und starrte ins Leere.
    »Verdammt noch mal, Lu«, brach es aus dem Hüter heraus, als Lu nichts weiter vernehmen ließ. »Aus Respekt vor deinem Vater habe ich dich noch nicht foltern lassen, aber wenn du dich weiterhin so aufführst, sehe ich mich gezwungen … Ich verliere allmählich die Geduld!«
    Lu lachte wie ein Schwachsinniger. Ein Bambusstock sauste auf ihn nieder. Der Hüter winkte zwei Gerichtsdiener zu sich, die den Angeklagten dann in eine Ecke schleiften.
    »Was machen sie mit ihm?«, erkundigte sich Ci ängstlich bei Feng.
    »Der Maske des Schmerzes wird er kaum widerstehen.«
5
    Ci zitterte am ganzen Leib, als der beisitzende Beamte mit einer unheimlichen Holzmaske wieder im Anhörungssaal erschien. Auf ein Zeichen hielten zwei Diener Lu fest, der sich wehrte wie ein Tier, als sie ihm die Maske aufsetzten und dann mit Lederriemen festzurren wollten. Lu schrie und strampelte wie ein Irrer. Einige Frauen versteckten sich furchtsam hinter ihren Männern, doch als es schließlich ruhig wurde und Lu nunmehr mit grässlicher Fratze auf seinen Platz zurückkehrte, klatschten auch sie.
    »Gestehe!«, herrschte der Hüter der Weisheit den Angeklagten an. Als die Antwort ausblieb, bohrte er Lu einenStock in den Mund. »Gestehe, und du kannst wieder Reis kauen.«
    »Nehmt mir dieses verdammte Ding ab, ihr Affen!«
    Der Hüter der Weisheit nickte dem Gerichtsdiener grimmig zu, der sich sogleich anschickte, die Maske enger um Lus Kopf zu spannen. Lu brüllte vor Schmerz, während sich die Metallverstärkungen der Maske mit jeder Umdrehung tiefer in seine Schläfen gruben.
    Ci rang um Atem. Wenn Lu nicht sofort gestand, würden sie sein Gehirn zerquetschen wie eine Nuss im Mörser.
    »Jetzt leg schon ein Geständnis ab, Bruder«, flüsterte er verzweifelt.
    Doch Lu schwieg eisern, nur seine Schmerzensschreie wurden immer lauter. Ci hielt sich die Ohren zu.
    »Bitte, gestehe!«, stammelte er, als er sah, wie ein Rinnsal Blut die Stirn des Bruders hinablief.
    Der Gerichtsdiener zog noch fester an den Lederriemen der Maske, ein knirschendes Geräusch und gleich darauf ein unmenschliches Geheul erfüllten den Raum. Ci schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass Lu zusammenbrach.
    Sofort

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