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Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
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der zähe Alte ihm den Weg.
    »Wieso sollte ich dich mitnehmen?«
    »Meine Schwester ist auf Eurem gekaperten Boot, und wenn Ihr mich nicht mitnehmt, werde ich Euch eigenhändig umbringen«, zischte Ci gefährlich und ließ keinen Zweifel daran, dass er seinen Worten Taten folgen ließe.
    Wang zögerte nur kurz.
    »Einverstanden, aber wenn wir meine Ware nicht zurückbekommen, garantiere ich dir, dass du mit deinem Blut bis auf die letzte Bohle meines Kahns bezahlen wirst. Macht das Boot klar und holt die Netze ein, während ich uns Waffen besorgen gehe.«
    »Waffen?«, fragte Ci besorgt.
    »Bei allen Kriegsgöttern! Irgendwann werde ich dir die Zunge rausschneiden und sie als Festtagsbraten verspeisen. Wie denkst du wohl, dass wir die Banditen aufhalten? Indem wir ihnen eine Tasse Tee anbieten?«
    »Wir wissen nicht einmal, wie viele sie sind«, verteidigte sich Ci. »Und auch nicht, ob sie bewaffnet sind. Aber wenn ihr Geschäft der Raub ist, dann wissen sie sicher besser zu kämpfen als zwei Alte und ein Reisbauer. Wenn wir sie mit Bogen und Pfeil angreifen, mit denen wir nicht umgehen können, werden sie uns durchlöchern.«
    »Ich weiß nicht, ob du von Natur aus einfältig bist oder ob das an dem Tee liegt, den man dir eingeflößt hat, aber diese Kerle werden uns im Guten weder mein Boot noch deine Schwester zurückgeben.«
    »Während wir hier diskutieren, vergrößert sich ihr Vorsprung«, mischte sich der Bootsmann ein.
    »Ze, halt den Mund!«, donnerte Wang. Dann wandte er sich wieder an Ci: »Und was dich betrifft, tu, was ich sage, oder verschwinde von meinem Schiff.«
    »Wenn wir uns beeilen, holen wir sie in weniger als einerStunde ein«, beharrte Ze. »Sie werden anhalten müssen, um auszuladen. Das tun sie sicher flussabwärts … Es wird leicht sein, sie zu schnappen.«
    »Zum Teufel, bist du jetzt auch noch Hellseher?«
    »Herr, warum sollten es sich diese Räuber unnötig schwer machen? Hier ist die Strömung stark, und flussaufwärts zu fahren hieße, langsam voranzukommen. Außerdem sind sie mit Holz beladen, eine Ware, die flussaufwärts nichts wert ist, in Fuzhou hingegen eine wahre Goldgrube.«
    »Und was war das mit weniger als einer Stunde?«
    »Vergesst nicht das Leck. Das Boot wird immer tiefer sinken.«
    Wang brummte zustimmend. »Ja, und wenn sie das Problem erkennen, sind sie gezwungen, an irgendeiner Seite anzulegen. Aber die Frage ist: an welcher?«
    »Das weiß ich nicht, Herr, aber sie werden die erste Biegung oder Mündung nutzen, die sie vor neugierigen Augen schützt. Wenn Ihr eine kennt, die in Frage käme …«
    »Beim Gott des Wassers, natürlich! Los, wir gehen an Bord!«
    Ci lud die Bambusstangen und das Material zur Reparatur auf, das sie auf dem Markt gekauft hatten. Jeder griff sich eine Stange, und zu dritt trieben sie das Boot hinter den Banditen her.
    * * *
    Wie Ze vorausgesagt hatte, entdeckten sie den Kahn noch vor Ablauf einer Stunde. Er driftete langsam und dicht am Ufer, in Schieflage wie ein verwundetes Tier auf der Suche nach einem geschützten Ort, an dem es sich niederlegen konnte. Wie viele Männer sich auf dem Boot befanden, konnten sienoch nicht erkennen, aber nur einer ruderte mit der Stange, was Ci Hoffnung schöpfen ließ.
    Sie hatten verschiedene Pläne ausgearbeitet, wie sie vorgehen würden. Die Idee, den Kahn sofort zu entern, verwarfen sie schnell. Sie beschlossen, zu warten, bis die Banditen ausluden. Doch als sie nun feststellten, dass die Räuber nur zu dritt waren, gewann Cis Plan die Oberhand, sich als kranker Händler auszugeben.
    »Sie werden mit allem rechnen, aber nicht damit, dass zwei Alte und ein Kranker sich auf sie stürzen. Wir stoßen sie mit den Stangen ins Wasser, das heißt, wir müssen sie einholen, bevor sie an Land gehen«, fügte er hinzu.
    Wang pflichtete ihm ausnahmsweise bei, dass sie an Land kaum Chancen hätten. Sie näherten sich dem Kahn auf zehn Bootslängen. Dann versteckten sie Ci unter einer Decke, zusammen mit einer Bambusstange. Als sie auf der Höhe der Barkasse angekommen waren, grüßte Wang fröhlich zu den drei Banditen und der Prostituierten hinüber, die Ci beschrieben hatte.
    Von seinem Versteck aus hörte Ci, wie Wang sie um Hilfe bat für den vermögenden Händler, der unerwartet krank geworden sei. Unterdessen ruderte Ze ihr Boot parallel an die Barkasse heran. Ein übler Gestank nach vergammeltem Fisch wehte Ci an, während er den scheinbar endlosen Erklärungen Wangs lauschte. Er spürte, wie sein

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