Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Leben antrat. Wenn auch im Pickup.
Als er fertig war, betrachtete er sich kurz im Spiegel und zwinkerte sich zu. Verdammt gut aussehender Kerl, den er da sah.
Zeit zu gehen. Er warf einen Blick auf seine Kaffeedose.
Seine Mutter kam herein.
»Wen hast du gerade umgebracht?«, fragte sie.
54
In Smoking und handgenähten Schuhen stand Sam Ismael auf dem Balkon seiner Suite im obersten Stockwerk des Fontainebleau und fühlte sich, als wäre er schon am Ziel. Er konnte den Sieg beinah schmecken. Er schaute auf Miami Beach hinunter, das sich mit Einbruch der Nacht von einer heruntergekommenen grauen Touristenfalle in eine zum Greifen nahe Galaxie aus glitzerndem, schillerndem Neon verwandelt hatte, eine juwelengesprenkelte Lava, die sich, sehr langsam, in unbestimmte Richtung bewegte. Die Straßen waren wie erleuchtete Venen, der Verkehr floss weiß in die eine und rot in die andere Richtung, herein und wieder hinaus. Die sommerliche Brise trug Musikfetzen von den Klubs zu ihm herauf, vermischt mit den Gerüchen des Meeres und der Stadt.
Zwanzig Minuten zuvor hatte er – ein Dutzend Stockwerke tiefer im Ballsaal, in dem sich die Gäste des Sanierungsprojekts Lemon City an feinstem Essen und Wein à 500 Dollar pro Person gütlich taten – die inoffizielle Meldung aus dem Büro des Bürgermeisters erhalten, dass sein Vorschlag, das Viertel in Little Haiti umzutaufen, angenommen werden würde. Das war intensiver Lobbyarbeit seinerseits ebenso sehr zu verdanken wie ansehnlichen Spenden an die Wahlkampfkassen verschiedener Interessengruppen sowie die von ihnen geförderten Wohlfahrtsorganisationen: kein Fortschritt ohne Bestechung.
Er war zufrieden mit dem, was er erreicht hatte, zufrieden mit dem, was es für die Haitianer bedeuten würde. Endlich würden sie in Miami einen Ort haben, der nur ihnen gehörte, wo sie sich niederlassen und einen Neuanfang machen, sich ein neues Leben aufbauen konnten. Dass das alles von Solomons Drogengeldern finanziert wurde, war ihm egal. Die Kolumbianer und die Kubaner machten es nicht anders, sie kauften haufenweise Grundstücke und bauten Apartmenthäuser, um sie an reiche Leute zu vermieten. Sie taten das für sich. Sam tat es für andere.
Da war nur eines, was ihm die Freude vermieste – na ja, genau genommen waren es vier: Solomon Boukman, Bonbon und seine beiden lesbischen Schlampen Danielle und Jane, die drinnen saßen und auf Fotos warteten, die er durchsehen sollte. Er hoffte, dass es nicht allzu lange dauern würde.
Hinter ihm wurde die Balkontür aufgeschoben.
»Wir sind so weit«, sagte Solomon.
Sam leerte sein Glas puren Barbancourt-Rum und ging hinein. Alle Lichter bis auf eine Leselampe neben dem Sessel waren ausgeschaltet. Auf dem Sitz wartete ein dicker Stapel schwarzweißer Porträtfotos aus der Personalkartei der Polizei von Miami auf ihn.
Sam setzte sich und ging die Fotos durch.
Zehn Minuten später hatte er den Mann erkannt, der in seinem Laden gewesen war.
»Das ist er«, sagte Sam und hielt das Foto in die Höhe.
Solomon, der hinter ihm stand, streckte die Hand aus, nahm ihm das Bild ab und drehte es um.
»Max Mingus. Detective Sergeant. Dienstnummer 8934054472. Geboren am 8. März 1950«, las er vor. Und dann, nach einer kurzen Pause und mit dem Anflug eines Gelächters: »Miami Task Force.«
»Du kannst gehen«, sagte Solomon zu Sam, während er eine Nummer in sein Telefon tippte.
Bevor er sich wieder zu seinen Gästen gesellte, suchte Sam den Waschraum auf, um sich die Hände und das Gesicht zu waschen und wieder in Plauderstimmung zu kommen.
Die beiden Männer, die hereinkamen, als er am Waschbecken stand, nahm er kaum wahr, ein kurzer Seitenblick hatte ihm verraten, dass er sich um die beiden nicht zu kümmern brauchte.
»Mr. Ismael?«, fragte der große Schwarze hinter ihm in einem Ton, der irgendwie offiziell klang, der irgendwie klang, als würde da ein Polizist sprechen.
»Ja?« Er schaute gerade rechtzeitig hoch, um den anderen Mann zu sehen, der von hinten auf ihn zukam.
Dann spürte er einen heftigen Schlag am Hinterkopf.
55
Sie brachten Ismael in die Wohnung der MTF in Coral Springs, zwei Stunden von Miami entfernt.
Sie trugen ihn in ein fensterloses Zimmer mit weißen Wänden, einer nackten Glühbirne an der Decke und einem Tisch, der auf dem Fußboden festgeschraubt war, und fesselten seinen rechten Arm mit Handschellen an einen Metallstuhl, der ebenfalls am Boden verankert war.
Ismael war immer noch benommen von
Weitere Kostenlose Bücher