Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
zerfetzt, unter ihm eine sich schnell ausbreitende blutrote Lache. Er hatte Max direkt angesehen, seine grünen Augen hatten erst Erkennen gezeigt, dann hatten sie ihm etwas mitteilen wollen. Desamours hatte seinen Blick zweimal sehr schnell nach rechts bewegt. Max hatte sich zur Seite gedreht und sich Auge in Auge mit einem dunkelhäutigen Mann wiedergefunden, der Schnittwunden auf der Stirn hatte und einen Blick in den Augen, der Max sehr vertraut war.
Als Max nach seiner Waffe gegriffen hatte, hatte er plötzlich einen sehr heftigen Schlag im Nacken verspürt.
An seinem Ohr surrte ein kleiner Motor. Wieder schlug er die Augen auf. Ihm war nicht mehr schwindlig, er war nur noch erschöpft, hundemüde. Er konnte wieder klar sehen. Er befand sich in einer großen, leeren Halle mit Betonfußboden – ein Lager oder ein Flugzeughangar -, und von der Decke leuchtete ein großer, starker Scheinwerfer auf ihn herunter und wärmte ihn. Er war nackt und von den Fußknöcheln bis zur Leiste komplett rasiert, seine Haut glänzte, als wäre er mit Öl eingerieben.
Wie lange war er bewusstlos gewesen?
Er legte den Kopf in den Nacken, um nach oben zu schauen, doch in dem Moment blieb der Motor stehen und zwei raue, starke Hände packten seinen Kopf.
»Stillhalten«, befahl eine Männerstimme.
Er saß auf einem Stuhl. Die Arme waren hinter seinem Rücken gefesselt, die Füße an den Knöcheln zusammengebunden. Er konnte nur den Oberkörper leicht vor und zurück bewegen. Er war gefangen.
Dann wieder das Surren. Er spürte, wie ihm ein stumpfes Objekt über den Schädel fuhr. Haare purzelten ihm über die Stirn und fielen ihm sanft und kitzelnd übers Gesicht. Eine Haarschneidemaschine. Sie rasierten ihm den Kopf. Er dachte an die zum Tode Verurteilen, die geschoren wurden wie Schafe, bevor sie auf den Stuhl kamen. Er erinnerte sich daran, wie er gelesen hatte, was die Leute in Europa nach Kriegsende mit den Freundinnen der Nazisoldaten angestellt hatten.
»Wo ist Boukman?«, fragte Max.
Der Friseur antwortete nicht, sondern arbeitete schweigend weiter, er war jetzt an den Schläfen angelangt und blies ab und an die losen Haare davon.
»Augen zu«, brummte er.
Max gehorchte. Er spürte den Rasierer an den Augenbrauen, die Haare knisterten zwischen den oszillierenden Metallzähnen. Dann hörte er das Schnippschnapp von Scheren.
»Abspülen!«, brüllte der Friseur.
Max bekam einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf. Es kam so plötzlich und unerwartet, dass er vor Schreck aufschrie.
Aber das Wasser machte ihn auch wach.
Er begriff, was hier geschah.
Wenn heute noch Freitag war, dann war morgen Samstag.
Die Zeremonie.
Der SNBC.
Das erste Mal war er – sehr kurz – im Krankenwagen wieder zu Bewusstsein gekommen. Er war auf der Bahre festgeschnallt gewesen, die Sirenen hatten geheult. Das ganze Fahrzeug hatte gebebt. Sie waren sehr schnell gefahren. Zwei Männer in Polizeiuniform hatten sich über ihn gebeugt, einer hatte ihm den Ärmel hochgerollt, der andere hatte eine Spritze aufgezogen.
Bevor sie ihm irgendetwas in die Venen gejagt hatten, das ihn zurück in die Bewusstlosigkeit geschickt hatte, war ihm klar geworden, dass Boukman am Flughafen falsche Polizisten postiert hatte. Oder waren es echte, die für ihn arbeiteten?
Nach der Dusche sprühte der Friseur – ein Koloss mit überdimensionierten Muskeln, einem ärmellosen Jeanshemd, grauer Jogginghose und einem Kopftuch von Hermès – ihm Rasierschaum auf den Schädel und verteilte ihn. Dann zog er ein Rasiermesser aus der Tasche und schabte Max die Stoppeln vom Kopf, dabei wischte er die Klinge an einem Tuch ab. Die Augenbrauen kamen zuletzt an die Reihe.
»Abspülen!«
Sie ließen ihn allein, und er saß tropfend in einer Wasserpfütze.
Er schaute sich um. Er sah den hellen Strahler über sich, den Betonfußboden und ungefähr sechs Meter entfernt eine Falltür. Vor dem Stuhl, auf dem er saß, waren rotbraune Zeichen auf den Fußboden gemalt: ein Kreuz zu seiner Linken, rechts ein Stern, dazwischen eine Trennlinie, alles eingerahmt von den Konturen eines Sargs.
Max streckte die Beine vor. Seine Fußknöchel waren mit Paketklebeband umwickelt. Er versuchte die Hände zu bewegen, aber er konnte kaum mit den Fingern wackeln.
Es gab keinen Weg hier raus. Er würde sterben, und zwar langsam.
Boukman würde ihm den Gifttrank verabreichen, ihm eine Waffe in die Hand drücken und ihn losschicken, um zu morden. Er würde nicht mehr wissen, wer er
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