Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
es kein Sonntagsspaziergang werden. Davon war auszugehen. In diesem Gewerbe kamen auf jeden Sonnentag zehn Katastrophenmeldungen. Jedes Mal, wenn eine Karte ins Spiel kam, konnte zu jedem Zeitpunkt alles Mögliche schieflaufen: Polizei, Schwangerschaft, Geschlechtskrankheiten, Gewalt. Die Freier der Karos und Herzen ließ Carmine überprüfen, um sicherzugehen, dass es keine Bullen und keine Spinner waren, außerdem wollte er wissen, wie viel sie zahlen konnten und was sie zu verlieren hatten. Für diese Aufgabe beschäftigte er einen Privatdetektiv namens Clyde Beeson. Beeson war teuer, aber ebenso schnell wie gründlich. Meist dauerte es keine sieben Tage, bis er alles über einen Menschen herausgefunden hatte.
Natürlich war man vor Überraschungen nie gefeit, vor allem nicht bei den Reichen. Manche Freier erwiesen sich plötzlich als gewalttätig und hatten ihre Freude daran, die Nutten zu verprügeln, nur so zum Spaß, weil sie es konnten. Meist war der Schaden nicht allzu groß: eine geplatzte Lippe oder ein blaues Auge, aber ab und an gingen die Jungs dann doch zu weit und ruinierten den Mädels das Aussehen. Für sein Geschäft war das kein allzu großes Problem, weil er die Karte als Kreuz wieder in Umlauf bringen konnte oder, wenn es so schlimm war, dass ein durchschnittlich teurer Schönheitschirurg es nicht mehr richten konnte, eben als Pik. Aber genau genommen war das ein ziemlich extremes Szenario, und in den sieben Jahren, die er nun schon im Spiel war, erst zweimal vorgekommen.
Damals war eine heiße kreolische Karte namens Hortensia mit einem Typen von der Wall Street übers Wochenende auf die Caymans gefahren und nicht zurückgekommen, als sie hätte zurückkommen sollen. Der Typ rief Carmine an und erzählte ihm, die Schnalle sei durchgedreht und am Morgen abgehauen. Carmine engagierte Beeson, um nach ihr zu suchen. Siebenunddreißig Stunden später hatte er sie gefunden, in einer schäbigen Absteige in Miami, eine geladene Waffe in der einen, eine Dose Schlaftabletten in der anderen Hand, unschlüssig, welchen Weg sie wählen sollte. Wenn er sie heute sah und sich erinnerte, wie schön sie einmal gewesen war, fragte er sich, warum sie nicht einfach den verdammten Abzug gezogen hatte. Er hätte es gemacht. Mr. Wall Street hatte sie mit einer Spritze ins Koma geschickt und ihr schönes Gesicht so tätowiert, dass sie aussah wie einer von Kiss. Carmine hatte sie abstoßen wollen, aber sie hatte ihn angefleht, im Spiel bleiben zu dürfen. Ein Glück, dass er Ja gesagt hatte, denn heute hatte sie eine kleine, aber treue Klientel aus durchgeknallten Freaks, die auf so etwas standen. Dann war da noch Valerie, ein Karo, die in der Nähe eines Hotels überfallen und von einer Horde idiotischer Collegestudenten in einem Lieferwagen gruppenvergewaltigt worden war. Zum Schluss hatten sie sie bei 70 Meilen pro Stunde auf dem Freeway aus dem Auto geworfen. Sie hatte überlebt, aber sie sah aus wie die Zwillingsschwester des Elefantenmannes. Carmine konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wer so etwas ficken wollte, aber die Männerwelt überraschte ihn immer wieder. Auch Valerie hatte ihre zahlenden Verehrer.
» Su perfume es bueno «, sagte Corrina, als sie von dem Stinker zurückkam, schnüffelte an ihren Handgelenken und schenkte ihm dieses strahlende Lächeln. Er hielt es für ihr schlechtestes Feature. Es ließ sie einfältig und dumm aussehen. Er würde es ihr abtrainieren.
» Solamente lo mejor «, antwortete Carmine. Er war immer wieder überrascht, wie saudumm diese Schnitten waren, sie glaubten jeden blöden Scheiß, wenn man ihn nur überzeugend genug vorbrachte.
Corrina war da ein typisches Beispiel. Sie hielt ihn für einen Fotografen aus New Orleans namens Louis de Ville. So stand es auf der Visitenkarte, die er ihr gegeben hatte. Nobel aussehendes Stück aus cremefarbenem, dickem Elefantenhautpapier, auf dem sein Name in metallisch smaragdgrünen Versalien eingeprägt war. Darunter in kleinerer Schrift sein Beruf, Adresse und Telefonnummer. Nummer und Anschrift gehörten zu einem Bürogebäude in der Innenstadt. Das Büro war leer bis auf drei Telefone mit Anrufbeantworter, je eines für jede seiner drei selbst gewählten Identitäten. Er hatte sich mehrere Berufe und passende Visitenkarten zugelegt, um den Träumen der anvisierten Karten zu entsprechen. Sie alle strebten nach der unerreichbaren Dreifaltigkeit und wollten mindestens eines der drei Ziele erreichen: Schauspielerin,
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