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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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auf der linken Seite. Joe musste immer noch lachen, wenn er daran dachte und das Bild von damals mit dem Max von heute verglich, der zehn Jahre älter war und jede Sekunde davon im Gesicht trug.
    Er hatte gewusst, was das zu bedeuten hatte: Sixdeep übertrug ihm die Verantwortung für Max. Zu jener Zeit hatte Joe auf Streife eine sehr exzellente Statistik vorzuweisen. Er konnte eine überdurchschnittliche Zahl von Verhaftungen für sich verbuchen, die allesamt zu einer Verurteilung geführt hatten, weil er gründlich und genau war, was Details und Vorschriften anging. Er hielt sich an die Regeln. Er befragte sämtliche Zeugen und schrieb alles auf, was sie sagten (den Stenographiekurs seiner Abteilung hatte er mit Bravour abgeschlossen). Sixdeep wollte, dass Max so viel wie möglich von ihm lernte, um dann zu höheren und wichtigeren Dingen aufzusteigen. Max war der Auserwählte, der Erbe.
    Manchmal wünschte Joe, er und Max wären keine Freunde geworden, und Max wäre einfach weitergezogen, als seine Zeit gekommen war. Dann wäre Joe weiter auf Streife gefahren und irgendwann Sergeant geworden. Ein harter Job, der härteste. Das waren Soldaten an vorderster Front, Auge in Auge mit den Kriminellen, diejenigen, die am ehesten eine Kugel kassierten. Aber wenigstens gab es im Auto keine Politik. Nur einen selbst und den Typen, der neben einem saß. Und zusammen sorgte man dafür, dass es lief.
    Joe schaute sich im Büro um, einem weitläufigen Großraumbüro mit Neonröhren an der Decke, blassgrünen Teppichfliesen und vergilbten schallgedämmten Wänden, damit der Lärm von vierzig überarbeiteten, gestressten Detectives mit zu viel Koffein im Blut nicht nach oben in die Konferenzräume oder nach unten ins Archiv drang. Heute war der Raum zu einem Drittel gefüllt, aber die unverwechselbare Polyrhythmik war dennoch vorhanden und überaus präzise, als würden da mehrere sehr vertraute Melodien gleichzeitig und immer und immer wieder gespielt, bei gedämpfter Lautstärke – Schreie, Fluchen, Singen, Gespräche, Telefonklingeln, Telefongespräche, aufgeknallte Hörer; alles untermalt von dem abgehakten metallischen Geplapper der Schreibmaschinen, die mit unterschiedlicher Fingerfertigkeit bedient wurden. Der Raum hatte keine Fenster, sodass immer Licht brannte, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Um zu wissen, ob Tag oder Nacht war, musste man den Schichtplan mit den Anwesenden abgleichen. Die Klimaanlage war so weit aufgedreht, dass man fast fröstelte, Rauchen war verboten. Wer rauchen wollte, musste mit dem Aufzug zwei Stockwerke nach unten fahren und auf den Balkon gehen.
    Theoretisch wurde das Büro von Captain Gabriel Ortiz und seinen zwei Lieutenants geleitet, Jed Powers und Lou Barlia. Ortiz war Ende fünfzig, feierte gerade seinen dreißigsten Hochzeitstag und würde bald zum zweiten Mal Großvater werden. Er war klein und stämmig, seine Hände fleischig, die Brust breit, er trug eine goldgerahmte Brille und tiefschwarzes Haar, dilettantisch gefärbt, weil er die grauen Haare im Nacken jedes Mal übersah. Er hatte den Kopf ständig in oder hinter einem riesigen Stapel Papier vergraben. Seine Hauptaufgabe bestand darin, sämtliche Berichte dreimal zu prüfen und dann abzuzeichnen. Powers und Barlia gingen mit den Detectives ihre mündlichen Zeugenaussagen durch und übten mit ihnen für Untersuchungskommissionen, Anhörungen der Innenrevision und Auftritte vor Gericht. Alle Eventualitäten wurden abgedeckt, Szenarien durchgespielt, Skripte geschrieben und einstudiert, damit die Geschichten, wenn sie denn zu Protokoll gegeben wurden, keine Widersprüche aufwiesen. Sogar am Tonfall wurde gearbeitet. Es war, als würde man gezwungen, in einem Theaterstück die Hauptrolle zu spielen. Als einmal eine mehrheitlich schwarze Geschworenenjury überzeugt werden musste, hatten sie Joe angewiesen, seine Syntax zu verunstalten, um »schwärzer« zu klingen. Er hatte das als ungemein beleidigend empfunden, aber sie hatten den Schuldspruch gekriegt, den sie wollten, also hatte es wohl funktioniert.
    Joe und Max saßen ganz hinten rechts in der Ecke. Ihr Territorium war an dem riesigen Poster von Bruce Springsteens Album-Cover Born To Run zu erkennen, das die halbe Wand hinter ihren Schreibtischen einnahm. Joe hatte es im letzten Jahr von der MTF zum Geburtstag geschenkt bekommen.
    Joe war ein Fan von Bruce. Zum allerersten Mal hatte er ihn im Oktober 1973 gehört: Sein zweites Album The Wild, the Innocent the E Street

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