Der Totenschmuck
beglaubigten Testamentsabschriften waren in schwarzen Büchern mit Ledereinband registriert, in die mit goldenen Buchstaben »Index der Testamentsabschriften« geprägt war. Sweeney suchte nach den Dokumenten von Suffok County, blätterte die steifen Seiten um, die durch die Druckerschwärze aneinanderklebten, bis sie den Eintrag für Charles D. Putnam fand.
Sie hatte sich schon mal mit der Recherche von Testamentsabschriften befasst und wusste, dass man, um das Aktenzeichen herauszusuchen, zuerst im Index der Mikrofilme nachsehen musste. Dann konnte man das gewünschte Testament finden. Sie setzte die Filmrolle in den klobigen, alten manuellen Bildbetrachter ein, suchte nach Charles Putnam und notierte sich den Band und die Seitenzahl seines Testaments. Sie fand das Testament in der Mitte einer anderen Mikrofilmrolle; es war von irgendeinem namenlosen Beamten in maßvoll verschnörkelter Schrift abgeschrieben worden.
Sweeney zückte den Notizblock und den Stift, die sie am Eingang erhalten hatte, und begann aufgeregt, Charles Putnams letzten Willen zu lesen.
»Im Namen Gottes erinnere ich, Charles D. Putnam, im Vollbesitz meiner geistigen und körperlichen Kräfte, an die Unvorhersehbarkeit des menschlichen Daseins und gebe meinem Wunsch Ausdruck, meine irdischen Angelegenheiten zu regeln, während ich dazu noch in der Lage bin, und verfasse hiermit meinen letzten Willen, mein Testament.«
Sie drehte den Film wieder bis zur ersten Seite des Testaments zurück, um festzustellen, wann es aufgesetzt worden war: 1861. Zwei Jahre vor seinem Tod.
»Ich überantworte mein irdisches Dasein IHM, der es mir schenkte«, hieß es im Testament weiter. »Wie meine sterbliche Hülle der Erde, so hinterlasse und vererbe ich meine unbewegliche und bewegliche Habe und verfüge dies testamentarisch. Meiner geliebten Frau Belinda vermache ich bis zu ihrem Lebensende mein gesamtes Mobiliar und meine gesamte Habe, die ich zum Zeitpunkt meines Todes besitzen werde. Außerdem hinterlasse ich meiner Frau die Grundstücke und die Häuser auf Bacon Hill in Boston sowie das lebenslange Wohnrecht, was nach ihrem Tod auf meinen Bruder James F. Putnam übergehen soll.«
Sie las weiter und fand das, wonach sie suchte. »Sollte mir und meiner Frau ein rechtmäßiger Erbe geboren werden, soll besagtes Eigentum sowie all meine anderen Besitztümer nach meinem Tod auf besagten Erben übergehen.«
Das war eindeutig. Charles Putnam hatte sein Testament gemacht, ohne zu wissen, dass er jemals ein Kind haben würde, hatte jedoch veranlasst, dass für den Fall, dass er einen männlichen Nachkommen bekommt, das Erbe an ihn fällt und nicht an seinen Bruder. An das Kind und nicht an Belinda.
Das war ein bisschen gemein seiner Frau gegenüber, eher ungewöhnlich, aber lag noch im Bereich des Möglichen. Die Menschen hatten damals eine merkwürdige Auffassung von Frauen und Charles Putnam musste gedacht haben, seine Frau sei nicht in der Lage, die Finanzen zu verwalten.
Aber das Kind hatte alles geändert. Das Kind hatte für Belinda praktisch das Vermögen gerettet. Als ihr Sohn geboren wurde, war sie noch jung gewesen und hatte noch viele Jahre gelebt - und das Geld, das ihr Mann ihr hinterlassen hatte, für gute Zwecke verwendet.
Es war ein Risiko gewesen. Wenn das Kind ein Mädchen gewesen wäre, wäre die Täuschung umsonst gewesen. Andererseits auch nicht, dachte Sweeney, wenn Belinda Putnam nicht als Ehebrecherin dastehen wollte.
Sie machte sich ein paar Notizen aus dem Testament, spulte den Mikrofilm zurück und dachte nach. Wie hatte Belinda die Geburtsurkunde ihres Sohnes gefälscht? Sie hatte die Urkunde ausfüllen müssen. Hatte sie ein falsches Datum eingetragen?
Die Antwort war schnell in den grünen, mit Stoff bezogenen Registern der Geburtsurkunden zu finden. Belinda hatte die Urkunde nicht gefälscht. Es gab keine Urkunde, die bezeugte, dass Edmund Putnam in Boston geboren worden war, weder 1863 noch sonst irgendwann.
Bill Landseer war der Anwalt von Sweeneys Vater gewesen und hatte nach seinem Tod seine Hinterlassenschaft verwaltet. Er war in seinen Zwanzigern so etwas wie ein Bohemien gewesen und hatte sich mit Sweeneys Vater eine Wohnung geteilt - und eine Freundin, wie Bill immer sagte - und das drei verrückte Jahre lang. Zu dieser Zeit begann Paul St. George gerade, sich als Künstler zu etablieren und Bill ignorierte die Ratschläge seiner Familie, er solle Anwalt werden.
Sweeneys Vater hatte es schließlich zu Ruhm
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