Der Totenschmuck
Das wäre ein solches Durcheinander, dass ich kaum glaube,
dass sich jemand da heranwagen würde. Aber man weiß nie. Das ist ein interessanter Fall. Kannst du mir nicht etwas mehr darüber sagen? Warum beschäftigt dich dieser Fall überhaupt?«
»Ach, das ist so eine Friedhofsgeschichte. Ich habe andere Daten auf einem Grabstein gefunden und überlege, ob ich der Familie etwas sagen soll oder nicht. Ich frage mich, ob das überhaupt etwas ändern würde.«
»Ich an deiner Stelle würde die Sache ruhen lassen«, meinte Bill. »Das ist schon so lange her. Es ist wahrscheinlich besser, keine schlafenden Hunde zu wecken. Wenn mein Mandant allerdings ein Nachfahre der Familie wäre, die leer ausgegangen ist, dann wäre das etwas anderes. In dem Fall würde ich mich mit der Familie beschäftigen und prüfen, ob irgendwelche Dokumente existieren, die belegen, dass das Kind unehelich war. Aber ich denke nicht, dass ich anfangen würde, das Erbe auszugeben.«
»Gut«, sagte sie. »Vielen Dank.«
»Jetzt bin ich dran: Ich wollte mit dir reden. Hast du noch mal darüber nachgedacht, was du mit den Bildern deines Vaters machen willst?«
Sweeney betrachtete die braunorange Wüstenlandschaft, die ihr Vater Bill gegeben hatte. Es war ein Ölbild im Querformat, die braune Wüste erstreckte sich bis zu einer kleinen, rot-weiß-blauen Texaco-Tankstelle.
»Es sind ungefähr hundert Bilder im Lager, Sweeney. Bei der derzeitigen Marktlage können wir ein Vermögen damit machen …«
»Ich bin noch nicht so weit, sie zu verkaufen, Bill.«
»Dann häng sie dir an die Wand. Gib sie einem Museum als Leihgabe. Du bist doch eine Kunsthistorikerin, verdammt. Siehst du nicht ein, was für eine Schande es ist, sie wegzuschließen?«
»Ich weiß, ich weiß. Ich bin nur … Mir geht zurzeit so viel anderes durch den Kopf. Ich muss mir das genau überlegen.«
»Kommst du finanziell zurecht? Hat die Uni dir irgendwas Sicheres gegeben?«
»Nein«, gab Sweeney mürrisch zurück. »Im Herbstsemester gebe ich nur zwei Seminare. Es ist auch eine Stelle ausgeschrieben, aber ich denke nicht, dass ich da im Rennen bin.«
»Schreibst du an einem neuen Buch?«
»Ja. Ich denke, ich habe ein Thema. Ich befasse mich mit den Grabsteinen der kolonialistischen Ära und nehme mir die Geschichte des Landes und ein paar der wichtigen Bildhauer vor.«
»Würdest du nicht gern ohne Geldsorgen an deinem Buch arbeiten?« Als sie darauf nichts erwiderte, hob er die Brauen und fixierte sie. »Sweeney …?«
»Ich werde darüber nachdenken, was ich will, und rufe dich an. In Ordnung?«
Er umarmte sie. »Okay. Wir hören voneinander.«
Dreiunddreißig
Als Sweeney am Abend das Memorial-Hall-Theater erreichte, war es dreiviertel voll. Die Bühne war mit roten Nelkensträußen dekoriert und ein großes, rot-weiß-blaues Banner prangte am oberen Rand der Bühne, mit der Aufschrift: JUNGE DEMOKRATEN UND JUNGE REPUBLIKANER HEISSEN DIE SENATORIN CAMILLE PUTNAM UND DEN KONGRESSABGEORDNETEN GERRY DIFLORIA WILLKOMMEN. Da dies die erste Debatte der beiden Kandidaten war, wimmelte es nur so vor Fernsehkameras.
Sweeney war absichtlich spät gekommen und hoffte, einen Sitzplatz in den hinteren Reihen zu ergattern, um Jack Putam auszuweichen. Er hatte ein paar Mal bei ihr angerufen, seit dem Abend, als sie bei ihm zu Hause gewesen war, hatte weder die Lüge noch Quinn erwähnt, sondern gesagt, er wolle mit ihr reden. Sie hatte ihn nicht zurückgerufen.
Aber als sie den Blick über die Menge schweifen ließ, stellte sie fest, dass sie unbesorgt sein konnte. Jack war nicht da. Sie erspähte Drew, der neben der Bühne stand und sich mit ein paar anderen Anwesenden unterhielt, und Andrew und Kitty Putnam, die in der ersten Reihe saßen. Ein junger Mann im Tweedjackett ging auf Drew zu und bedeutete ihm, zur Seite zu treten. Sie sprachen kurz miteinander, und der Mann schrieb alles, was Drew sagte, in sein Notizbuch. Der Mann kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie wusste nicht, woher. Schließlich schüttelte Drew seine Hand und nahm Platz.
Die Unruhe in der Halle nahm immer weiter zu, bis um sieben Uhr schließlich eine junge Frau in hellrotem Minirock und Blazer an das Podium trat und das Mikrophon richtete. Als die Studentin das Wort ergriff, wurde es still.
»Hallo zusammen. Es ist großartig, dass Sie heute Abend so zahlreich erschienen sind. Wir sind sehr glücklich darüber, die Senatorin Camille Putnam und den Kongressabgeordneten Gerry DiFloria heute bei uns zu
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