Der Totenschmuck
umfasste ihren Hinterkopf und drückte sie an sich. Sie konnte den Alkohol schmecken, den Tabak riechen und sein unrasiertes Gesicht an ihrer Wange spüren.
Sie atmete schneller, und er lächelte sie an, bevor er sich gegen sie lehnte, sie gegen das Geländer presste, sein Knie zwischen ihren Beinen, ihren Nacken küsste und biss, gerade so, dass es nicht wehtat. Sie war erregt, lehnte sich zurück und beugte den Kopf nach hinten, um ihm ihren Hals darzubieten. Er küsste und leckte ihn und sie spürte seinen heißen Atem auf ihrer Haut.
»Jack«, flüsterte sie, aber er antwortete nicht. Er biss immer wieder in ihre Haut und sie fühlte die Erregung wie Nadelstiche; es war kein Schmerz, aber ein ähnliches Gefühl. Sie hörte seinen Atem rasselnd und stoßweise dicht an ihrem Ohr.
Rasch befreite sie sich aus seinem Griff, sie tauschten die Position und sie drückte ihn mit dem Rücken gegen das Geländer. Er lächelte wieder, dann packte er ihre Handgelenke und hielt sie hinter ihrem Rücken fest. Sein Griff tat beinahe weh, aber sie genoss seine Küsse und das Gefühl, ihm ausgeliefert zu sein.
Atemlos trat sie zurück und sah ihn an. Er grinste und wollte sie wieder packen, doch sie wand ihre Hände aus seinem Griff und setzte sich auf einen der Verandastühle.
»Was ist los?« Er atmete schwer.
»Nichts. Ich … Das geht nur ein bisschen zu schnell.«
»Es tut mir leid. Ich dachte, du wolltest auch.«
»Ich … ja, schon. Ich bin nur … setzen wir uns lieber und reden.«
»In Ordnung. Lass uns reden.« Er setzte sich ihr gegenüber und grinste wieder, dann beugte er sich vor und berührte ihr Knie. »Worüber möchtest du sprechen?«
»Ich weiß auch nicht. Über Brad.«
»Über Brad?«
»Ja. Wer, glaubst du, hat ihn umgebracht?« Das war gemein, aber sie wollte etwas sagen, das dem, was gerade zwischen ihnen passiert war, einen Dämpfer gab. Sie beobachtete, wie sein Gesicht sich vor Unmut in Falten legte und wieder entspannte.
»Woher soll ich das wissen? Ich bin kein Ermittler.«
»Aber du bist dort gewesen. Du musst irgendeine Idee haben. Schließlich hast du sein Zimmer gesehen.«
»Ja, aber es sah so aus … Ich habe keine Ahnung. Es sah so aus wie immer. Nichts Ungewöhnliches.« Ohne sie anzusehen fuhr er sich nervös mit gespreizten Fingern durchs Haar. Sie konnte noch immer Miles Davis hören, wie er durch die Luft kletterte, von den Hauswänden abprallte und Richtung Ufer davonsegelte.
»Und als du seine Wohnung wieder verlassen hast? Wie war er drauf, als du gegangen bist?«
»Er lag auf dem Bett, ohnmächtig, die Seile um seine Handgelenke gebunden oder was immer und er …«
Sie unterbrach ihn perplex: »Aber er war nicht mit Seilen gefesselt, das waren Krawatten. Die Polizei …« Sie sah in sein Gesicht und schlagartig wurde ihr alles klar. »Das warst gar nicht du, stimmt’s? Du warst es gar nicht, der ihn in der Nacht gefesselt hat.« Sie erhob sich mit pochendem Herzen und blickte zur Treppe.
»Sweeney …«
»Warum hast du gelogen?« Sie wisperte, und als er aufstand und seine Hände nach ihren ausstreckte, wandte sie sich ab und stieg die Treppe hinab. Jetzt hatte sie Angst. Sie hörte, wie er ihr nachkam.
»Sweeney, warte …«
Schweigend rannte sie an den beiden Stockwerken vorbei, griff nach ihrem Mantel, der über dem Geländer hing, und strebte auf die Tür zu.
»Verdammt, jetzt warte doch!« Sie hörte ihn nochmals rufen, aber sie schlug die Haustür hinter sich zu und lief über die Straße Richtung Einkaufszentrum auf der Commonwealth Avenue.
Das Zentrum war fast leer, und sie blieb einen Moment verwirrt und benommen stehen. Es war spät. Konnte sie ein Taxi erwischen? Als sie auf die Newbury Street bog, sah sie eins auf sich zukommen. Sie hob eine Hand und es hielt tatsächlich an.
»Können Sie mich nach Somerville fahren?«, fragte sie den Mann am Steuer.
Er musterte sie und erwiderte: »Sicher kann ich das. Ich bin schließlich Taxifahrer, oder nicht?« Sie lächelte und stieg ein.
Als er auf die Fahrbahn bog, warf er ihr einen kurzen Blick im Rückspiegel zu. »Sie sehen aus, als wäre Ihnen gerade ein Geist begegnet«, meinte er und sie erwiderte seinen Blick im Spiegel.
»Nein«, antwortete sie, »kein Geist.«
Achtundzwanzig
Sweeney entdeckte Quinns Adresse im Telefonbuch, als sie wieder zu Hause war. Sein kleines Einfamilienhaus lag in dem Teil von Somerville, in dem gerade erst mit den Verschönerungsarbeiten begonnen worden war. Es war gut
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