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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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an seinen strahlenden Augen, seiner betont deutlichen Aussprache. Sie schloss daraus, dass er schon ein paar Drinks getrunken haben musste, bevor er in die Galerie gekommen war. Aber er war jemand, der wusste, wie man trank. Sie beobachtete ihn dabei, wie bedacht er seine Worte wählte, in der Absicht, aufmerksam und wach zu wirken.
    »Meinen Sie, es hat Ihnen geholfen, zum Therapeuten zu gehen?«, fragte sie ihn.
    »Ob ich finde, dass mir geholfen wurde? Ich denke, ich
habe mich selbst besser kennen gelernt. Aber ob ich die Mittel habe, etwas daraus zu machen, ist eine andere Frage.«
    Sie trank ihren Scotch und merkte, dass sie schneller trank als gewöhnlich, um mit ihm mitzuhalten. Das gleiche Phänomen äußerte sich bei Leuten, die Konversationstraining machten und gelernt hatten, die Lautstärke ihrer Stimme und ihre Art zu reden ihrem Gegenüber anzupassen, hatte sie gehört. Dadurch kam es ihnen so vor, als hätten sie etwas gemeinsam und sie fühlten sich gut.
    Sein Blick machte sie unsicher, und sie ließ ihren Blick durch das Zimmer schweifen. »Und wie lange gehört dieses Haus Ihrer Familie schon?«
    »Ich glaube, mein Ururgroßvater hat Mitte des neunzehnten Jahrhunderts das Land erworben, lange bevor Back Bay existierte. Er hat ein paar Häuser bauen lassen, und wir besitzen sie bis heute. Drew hat jetzt einen Plan, Luxusapartments daraus zu machen oder so was.«
    Er lehnte sich zu ihr vor und legte seinen Arm auf die Rückenlehne. »Ich hoffe, Sie denken nicht, dass ich zu schnell bin«, sagte er. »Aber bei Ihnen habe ich so ein besonderes Gefühl. Ich hätte Sie gern in meinem Leben.«
    Sweeney wandte sich ab. Sie fühlte sich zwar geschmeichelt, aber sie wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte.
    »Es tut mir leid. Das ist irgendwie verrückt.«
    »Denken Sie, es hat mit Brads Tod zu tun?«
    »Mag sein. Ich kann es nicht sagen. Es tut mir leid. Ich höre lieber damit auf, Sie in diese heikle Lage zu bringen.«
    Er trank seinen Scotch aus und stand auf, um sich nachzuschenken.
    »Es ist anders als bei Petey, wissen Sie. Es ist so, als würden wir ihm seine letzte Ruhe noch nicht gönnen, weil es noch so viel zu klären gibt, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich denke, wir sind an den Tod schon so gewöhnt, dass er für uns nur das Ende vom Leben bedeutet, und alles was danach kommt, ist offen. Das penetrante Interesse der Medien trägt
auch nicht gerade dazu bei, dass die Wunden heilen. Irgendwie überfordert mich das alles, ich komme damit nicht klar. Meine letzte Freundin war jüdisch, und als ihr Vater starb, habe ich zusammen mit der Familie die Trauerwoche Shivah abgehalten und gemerkt, dass das einen Sinn hat. Sie mussten das einfach tun, alles war vorgegeben. Das war eine richtige Erleichterung.«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Sweeney. »Ich denke, wenn wir etwas von dem Brauch aufgeben, wie wir mit dem Tod umgehen, geben wir damit auch einige der wichtigsten Wirkungen dieses Brauchs auf, denn er tut doch genau das - er beendet unsere Trauer und erlaubt es uns, wieder nach vorn zu blicken.«
    Er musterte sie; seine Hand war von der Sofalehne zu ihrer Schulter gewandert, wo sie mit ihrem Haar spielte. Sie war versucht, sich zurückzulehnen, damit seine Hand ihren Nacken berühren konnte. Doch sie setzte sich auf. »Ich denke, ich sollte nach Hause gehen.«
    »Ja. Ich nehme an, Sie müssen früh aufstehen. Aber Sie haben meine Dachterrasse noch gar nicht gesehen. Die müssen Sie sich anschauen! Kommen Sie!« Er sprang auf, zog Sweeney aus dem Sofa hoch und lief die Wendeltreppe hinauf. Sweeney lachte, obwohl sie sich immer noch etwas unwohl fühlte, und folgte ihm. Die Treppe führte an einem Flur vorbei, von dem vier Türen abgingen, und endete auf einem Absatz mit einem Stauraum und hohen Flügeltüren. Jack öffnete sie, und sie traten auf die große, mit Holzplanken ausgelegte Terrasse, umgeben von einem niedrigen Geländer. Jack hatte fünf Chaiselongues und ein paar Stühle aufgestellt, in einer Ecke stand eine Badewanne. Sweeney lehnte sich an das Geländer und sah in die Nacht. Bauschige Wolken zogen vorüber und in der Ferne erklang Musik - Miles Davis vermutlich. Während Sweeney den Tönen lauschte, stellte Jack sich dicht hinter sie. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie langsam um.

    Ihre Gesichter bewegten sich aufeinander zu, bis ihre Nasen sich berührten und ihre Münder sich fanden. Der Kuss war nicht zögerlich. Jack küsste sie gierig,

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