Der Toyota Weg
nicht bestimmen, wie Toyota sein Geschäft betreibt, und Toyota wird auch nicht zulassen, dass die Werte des Toyota-Wegs beeinträchtigt werden.
Toyota ist ein modernes Unternehmen, und wie jedes moderne Unternehmen wäre es auf der Stelle paralysiert, wenn man seine Computersysteme abschalten würde. Computer werden eingesetzt, um die Finanzen zu steuern, Rechnungen zu zahlen, Millionen an Kundenaufträgen zu bearbeiten und zig Millionen von Ersatzteilbestellungen zu dirigieren, Daten für die Neuproduktentwicklung zu sammeln sowie zur Planung zahlreicher anderer Dinge. IT ist für Toyota zwar erfolgskritisch, aber das Unternehmen betrachtet IT dennoch als ein Instrument von vielen, das in erster Linie dazu da ist, Menschen und Prozesse zu unterstützen.
Zum Beispiel arbeitet Toyotas Ersatzteilsparte nach wie vor mit einer alten Software, die vor vielen Jahren intern entwickelt wurde, und zwar unter erheblich weniger komplexen Bedingungen. Sie wurde kontinuierlich aktualisiert und erweitert und erfüllt passgenau die Bedürfnisse des Unternehmens. Jane Beseda, General Manager und Vice President von North American Parts Operations, sieht keine brandeilige Notwendigkeit, diese Software zu modernisieren. Aber sie plant einen schrittweisen Übergang zu einer neueren Technologie.
Im Gegensatz dazu machte ich eine interessante Erfahrung als Berater eines US-amerikanischen Autoteilezulieferers, der lange Jahre mit Toyota zusammengearbeitet hatte, um sich in TPS kundig zu machen. Der CEO meines Kunden hing der fixen Idee an, eine Erhöhung des Lagerumschlags als wichtiges „schlankes“ Unternehmensziel vorzugeben. Er nannte allen Geschäftseinheiten aggressive Lagerumschlagsziele, die auf den ersten Blick dem TPS-Prinzip der Eliminierung von
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entsprachen. Das entwickelte sich jedoch zu einer regelrechten Manie.
Eine große Gruppe an „Supply-Chain-Ingenieuren“ des Unternehmens wurde mit der Lösung dieser Herausforderung beauftragt. Der Leiter dieser Gruppe hatte einen IT-Background. Seine größte Priorität lag darauf, neue Internettechnologien einzuführen, um „Transparenz in die Zulieferkette“ zu bringen. Es gibt zahlreiche Supply-Chain-Softwareprogramme, die sich als „Lösung“ anpreisen und eine drastische Senkung des Lagerbestands sowie eine völlige Kontrolle über den gesamten Prozess versprechen. Das wird angeblich dadurch erzielt, dass sie jedem, der sich in die Website einloggt, in Echtzeit anzeigt, wie hoch der Lagerbestand auf jeder Stufe der Zulieferkette ist.
Die Mitarbeiter des Leiters waren stolz auf ihren Chef, der hoch intelligent und ein schneller Denker war, und sie wiederholten oft, was er ihnen gepredigt hatte. Er selbst verglich die Transparenz der Zulieferkette mit einem Bagger: Man könne mit dem Spaten einen Graben ausheben, und das funktioniere auch wunderbar. Aber ein Bagger verrichte dieselbe Arbeit in einem Bruchteil der Zeit. So funktioniere auch IT – sie beschleunige in dramatischer Weise die Arbeit, die bisher manuell erledigt wurde. Diese Überzeugung verblüffte mich. Wie konnte die Verfolgung des Lagerbestands anhand eines Computers irgendjemand die Kontrolle über dessen Reduzierung geben? Aus meinem TPS-Training wusste ich, dass hohe Lagerbestände im Allgemeinen ein Symptom schlecht gesteuerter Prozesse sind. Letztlich geht es bei Produktion immer um die Herstellung von Gütern. Ich sprach mit dem CEO und teilte ihm meine Sicht der Dinge mit. Ich erklärte ihm, dass Software zwar schnell sein mag, aber dass sie weder der Mensch noch die Maschine ist, die die eigentliche Arbeit verrichten. Tatsächlich ist die „Transparenz der Zulieferkette“ eher mit der Installation einer Videokamera an den Fließbändern vergleichbar und der Installation eines Monitors in irgendeinem Büro, von dem aus Sie die Arbeit der Fließbandarbeiter beobachten können. Um die Produktivität eines Prozesses zu steigern, müssen Sie die Art und Weise verändern, wie die Arbeit verrichtet wird, indem Sie die nicht werthaltigen Elemente aus dem Prozess eliminieren. Das kann eine Software gar nicht leisten.
Meine Sichtweise wurde bestätigt, als wir in einem der Werke des Unternehmens ein Projekt in Angriff nahmen. Ohne jede IT gelang es uns, die Lagerbestände am Fließband um 80 Prozent zu reduzieren. Das wurde durch die Abschaffung eines Systems möglich, mit dem die Lager nach einem festgelegten Produktionsschema ständig gefüllt wurden. Stattdessen wurde ein manuelles Pull-System
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