Der Toyota Weg
ruhig noch einmal wiederholt werden: Je mehr Sie sich einem One-Piece-Flow annähern, desto schneller treten Probleme an die Oberfläche, um gelöst zu werden. Das wurde für mich persönlich bei einer einzigartigen Gelegenheit deutlich, die ich im Sommer 1999 hatte. General Motors verfolgte mit seinem Joint Venture mit Toyota – dem NUMMI-Werk in Fremont, Kalifornien – ein Programm, in dessen Rahmen der Konzern eigene Mitarbeiter für eine Woche auf eine TPS-Schulung schickte. Diese einwöchige Trainingsmaßnahme beinhaltete zwei Tage Mitarbeit in einer Fertigungsstraße von Toyota, bei der man unmittelbar an der Fahrzeugproduktion beteiligt war. Ich hatte die Chance daran teilzunehmen.
Ich wurde einer Arbeitsstation in der Rohbaulinie zugewiesen, einer von der eigentlichen Montagelinie abgetrennten Fertigung, in der Achsen für den Toyota Corolla und ein vergleichbares Modell von GM montiert wurden. In Fahrzeugen mit selbsttragender Karosserie gibt es keine zusammenhängende Fahrwerksbaugruppe, sondern unabhängige Module für Räder, Bremsen und Stoßdämpfer. Sie werden in der gleichen Abfolge wie die Fahrzeuge auf der Montagelinie gefertigt, auf Paletten verladen und in der Reihenfolge der Fahrzeuge auf dem Montageband angeliefert. Von dem Zeitpunkt, da ein Modul hergestellt wird, bis zu seiner Montage in das Fahrzeug vergehen zwei Stunden, bis sich dieses Segment der Montagelinie abschaltet.
Einer meiner Anfängerjobs bestand darin, einen Splint so anzubringen, dass er ein Kugelgelenk in der richtigen Position fixierte. Dafür nimmt man den Splint, spreizt die Enden, und dann ist das Kugelgelenk fixiert. Das hat Auswirkungen auf die Bremsen, es handelte sich also um ein sehr wichtiges, weil sicherheitsrelevantes Teil. Ich sah, wie sich alle möglichen Mitarbeiter um etwas scharten und es zu einer Reihe spontaner Zusammenkünfte kam. Daraufhin fragte ich meinen Schichtkollegen neben mir, was denn los sei, und er erklärte mir, dass eine Einheit auf das Montageband geraten war, an der der Splint fehlte, und das sei eine ziemlich heikle Angelegenheit. Ich nahm an, das sei mein Fehler gewesen und fühlte mich auf einmal ganz schrecklich, weil ich versäumt hatte, den Splint anzubringen. Mein Kollege meinte, das sei während meiner Pause passiert. Wer weiß? Aber das eigentlich Wichtige war seine Antwort auf meine Schuldgefühle:
Was eigentlich zählt, ist, dass sich der Fehler an acht Leuten vorbei geschlichen hat, die ihn nicht bemerkt haben. Von uns wird erwartet, dass wir die Teile inspizieren, die an unsere Arbeitsstation gelangen. Und der Kollegeam Ende des Montagebands soll eigentlich die Endkontrolle durchführen. Dieses Teil hätte nie auf die Montagelinie gelangen dürfen. Wir fühlen uns als gesamtes Team schuldig, weil keiner seinen Job richtig gemacht hat.
Eine weitere Aufgabe, die ich zu erfüllen hatte, war die Endkontrolle am Ende des Montagebands, also eine hundertprozentige Inspektion vor der Verladung der Achsen auf die Paletten. Zur Endkontrolle gehörte es, alle Punkte abzuhaken, die geprüft werden mussten, inklusive des Splints. Es stellte sich heraus, dass das Teil mit dem fehlenden Splint nicht abgehakt war, also hatte der Prüfer (möglicherweise ich selber) nicht die komplette Inspektion durchgeführt. Worauf es aber ankam, war, dass das Team eine sorgfältige Problemanalyse durchführte, um die Ursache des Fehlers zu finden und eine Lösung herbeizuführen – und all das innerhalb von zwei Stunden nach Auftreten des Fehlers.
Auch wenn der fehlende Splint über den gesamten Kontrollprozess hinweg unentdeckt blieb, gab es eine beachtliche Zahl an Lösungsmaßnahmen, die bereits auf dem Achsen-Montageband durchgeführt worden waren, um eine Wiederholung zu vermeiden. Tatsächlich gab es an jeder Arbeitsstation zahlreiche
poka-yoke
-Geräte.
Poka yoke
bezieht sich auf die Fehlerkontrolle. Das sind kreative Instrumente, die es einem Bandarbeiter fast unmöglich machen, einen Fehler zu begehen. Offensichtlich gab es kein
poka yoke
, der den fehlenden Splint registriert hätte. Nichtsdestotrotz war der Grad der Ausgefeiltheit der Montagebänder beeindruckend. Allein am Beginn des Achsen-Montagebands gab es 27
poka-yoke
-Geräte. Jedes
poka-yoke
-Gerät verfügt über seine eigene Standardform, in der es das behandelte Problem zusammenfasst, den Alarm beschreibt, der beim Auftreten dieses Problems ausgelöst wird, die notwendigen Maßnahmen im Notfall erklärt, die Methode und
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