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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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braunen.
     
    Jeden Abend fanden sie Zuflucht in irgendeiner Behausung, denn für Gasthäuser gab es in diesen kleinen, namenlosen Dörfern zu wenig Reisende. Der Dieb legte sich, in Laken
gehüllt, zu Lias Füßen schlafen. Lia starrte hinauf zur Decke, solange sie konnte, und kämpfte gegen den Schlaf an, bis die Träume ungebeten kamen und sie in ihre Tiefen rissen.
    Sie glaubte nicht, dass einer von ihnen beiden sonderlich viel Ruhe fand.
    Zane war wieder dazu übergegangen, auf dem Kutschbock mitzufahren.
    Jeden Morgen, wenn Lia erwachte, war er bereits aufgestanden und fortgegangen, gewöhnlich, um nach den Pferden zu sehen, den Kutscher aufzusuchen und den dichten Nebel und die Wolken zu betrachten. Nur dann, in der Abgeschiedenheit jener kleinen, verschlossenen Räume, unternahm sie weitere Versuche, sich in Rauch zu verwandeln. Mehr wagte sie nicht, denn Rauch im Innern eines Hauses mochte zu entschuldigen sein. Ein ausgewachsener Drache nicht.
     
    Sie war nicht sonderlich erfolgreich. Dieses erste, wunderbare Mal war es so mühelos gegangen. Vielleicht hatte es an der Leidenschaft des Augenblicks gelegen, in der die Gefühle sie überwältig hatten und es hatten geschehen lassen. Wenn sie es jetzt versuchte, fiel ihr es schwer, ihre Konzentration zu bündeln, und alle Leichtigkeit war von ihr abgefallen. Mit aller Anstrengung gelang es ihr, ihre Haare zu verwandeln, ihre rechte Hand und ihren Fuß. Das war alles.
    Trotzdem versuchte sie es jeden Morgen. Dann kleidete sie sich an. Allein begrüßte sie ihre Gastgeber, nahm ihr Brot und ihre guten Wünsche entgegen und versuchte sorgsam, ein wenig von der geballten Furcht zu zerstreuen, die sie im Griff zu halten schien. Wie höflich auch immer sie war, wie freundlich auch, nichts änderte sich.

    Sie überließ es Zane, kurz vor ihrer Abreise Münzen auf den Tisch oder Tresen zu legen. Sie bemerkte, dass keiner der Menschen hier etwas, das sie angefasst hatte, berühren mochte, wenn es nicht absolut notwendig war.
    Sie war anders. Sie fühlte sich anders, langsamer irgendwie, ängstlich, als ob die Rätsel ihres Körpers unmittelbar hinter einer verschlossenen Tür warteten und der Schlüssel eben außerhalb der Reichweite ihrer Finger hängen würde. Je höher sie in diese Berge vordrangen, desto entschlossener durchströmte sie ihr Blut, und damit einher ging eine Steigerung ihrer Wahrnehmungskraft.
    Jeden Tag spürte sie nun ein Aufblitzen der Drákon . Es war nie klar, nie gleichmäßig, und sie konnte es nicht an einem einzige Ort festmachen. Manchmal fragte sie sich, ob der Schlafmangel ihrem Geist einen Streich spielte, aber nein, alles fühlte sich real an. Gewöhnlich um die Zeit der Dämmerung herum, wenn die Sonne unterging, der Himmel durchsichtig wurde und die ersten Sterne ihre Augen öffneten, war der Gesang Draumrs am stärksten. Es war ein süßes Ziehen von melancholischer Schönheit, das ihr durch Mark und Bein ging. Wenn sie nicht bereits im Haus eines Dorfbewohners untergebracht waren, mochte sie es, die Kutsche etwas vorfahren zu lassen, einen Augenblick zu Fuß die Straße hinunterzugehen und die Musik zusammen mit der dünnen Luft aufzusaugen, bis ihre Lungen schmerzten.
    Das war die Zeit, in der es geschah. Ein Knistern in ihrem Nacken, und das Tier in ihr erwachte und suchte. Wenn Wolken am Himmel standen, entdeckte sie nichts zwischen ihnen. Wenn es Rauch war, so war es niemals offensichtlich.

    Der Dieb hatte in der letzten größeren Siedlung, durch die sie gekommen waren, für Lia ein Jagdmesser erstanden, mit einer höchst beeindruckenden Klinge und einem schmalen, lederumwickelten Griff, der ihr gut in der Hand lag. Sie hatte mit sich gerungen, doch nun trug sie es in ihrem Strumpfband am rechten Bein - ein stetiger, kühler Grund für Unbehagen, mit dem sie jedoch trotzdem dem Kommenden gelassener entgegensah.
    Als Zane sie danach befragte, berichtete sie ihm, was sie mit der Klinge gemacht hatte. Er warf ihr einen Seitenblick zu.
    »Und wie willst du an das Messer herankommen, wenn der Zeitpunkt dafür gekommen ist?«
    Und so hatte sie die Spitze der Waffe benutzt, um die Nähte ihres Rocks zu lösen, bis sie ein taschengroßes Loch für ihre Hand in jedem Kleid hatte.
    »Das reicht«, sagte er, als sie ihm davon erzählte. »Allerdings ein bisschen zugig, könnte ich mir vorstellen.«
    Sie hatte nichts darauf erwidert. Sie hatten im Bett gelegen - nun ja, sie jedenfalls -, und die Stimme, die vom Boden aus zu ihr ertönt

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