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Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie

Titel: Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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einem plötzlichen, kristallinen Entsetzen von dem Miasma. Er spürte ihre Wandlung, wie sie vor ihm niedersank, ihre Hände, die fest die seinen umklammerten.
    »Rhys«, hauchte sie. Seine Finger verkrampften sich. » Verwandeln «, krächzte er - aber wie er befürchtet hatte, waren die Anderen nie weit entfernt.
     
    Für einunddreißig Jahre, ihr ganzes Leben lang, hatte sich Audrey Langford Downing als eine Hälfte eines Ganzen gefühlt. Sie hatte nicht darum gebeten; die Drákon bekamen häufig Zwillinge oder gar Drillinge, obwohl es stimmte, dass in den letzten Jahren immer häufiger einzelne Kinder geboren wurden als Mehrlinge.
    Dass sie als Zweite zur Welt gekommen war, hätte an ihr nagen können, aber da sie ein Mädchen war, wäre sie auch als Erstgeborene die Zweite gewesen. Kimber war halt der Älteste und war es immer gewesen. Es schien so, als sei er laut schreiend in die Welt hinausgetreten in dem Bewusstsein, dass er seinen Platz in ihrer Gesellschaft sozusagen in seiner Haut eingraviert trug. Solange sie sich erinnern konnte, hatte er immer schnell die Führungsrolle übernommen und ebenso rasch entschieden, ebenso rasch verworfen. Wäre er von schwächerem Charakter gewesen … hätte ihm auch nur ein Hauch seiner Großzügigkeit gefehlt, hätte sie vielleicht im Lauf der Zeit gelernt, ihn zu verachten. Immerhin hatte er alles, was er begehrte, und zwar von Anfang an. Er sah gut aus, besaß Charisma, und er war im Stamm gut gelitten. Er war der Alpha-Erbe, dann Alpha, und sie hatte
Jahre damit zugebracht, ihn dabei zu beobachten, wie er das Wohlwollen ihres Volkes mit einer ungekünstelten Liebenswürdigkeit akzeptierte, die sie tief in ihrem Innern immer mit Erstaunen erfüllt hatte.
    Sie hätte ihn auch hassen können. Manchmal, als sie noch jünger waren - wenn Kimber sein anmutiges Lächeln aufsetzte und munter von London und den Bällen und dem Königshof erzählte, Orten, die sie niemals sehen, Tänzen, die sie nie tanzen würde -, dachte Audrey manchmal, dass ein winziger Teil von ihr ihn doch hasste. Aber Rue hatte dieses Samenkorn von Groll aus dem Herzen ihrer Tochter geschüttelt. Rue, die niemals Schande oder Unehrlichkeit bei ihren Kindern geduldet hätte - obwohl ihre Definition von »Unehrlichkeit« gelinde gesagt ein wenig ungewöhnlich war.
    Ihre Mutter war diejenige, die Audrey früh am Morgen ihres siebzehnten Geburtstags fand. Die Feierlichkeiten hatten am Vorabend begonnen, mit Feuerwerk und wüsten Tänzen in der Schänke; blaugoldene Bänder schmückten die Dorfläden und die Häuser und flatterten, das Auge erfreuend, überall die Straßen entlang. Später am Abend sollte im Herrenhaus eine Soiree stattfinden für jeden, der Lust hatte zu kommen, ein Abend mit feinerem Kuchen und Musik und Punsch im Ballsaal, vielleicht sogar einer Quadrille.
    Und das geschah alles für ihn.
    Ja, Audrey war zufällig am gleichen Tag geboren, hatte die gleichen Eltern. Aber es war für Kimber, immer für Kimber, dass der Stamm sich zum Feiern traf.
    Sie war nicht in der Lage gewesen, die Wandlung zu vollziehen; diese Gabe ließ noch ein weiteres Vierteljahr auf sich warten. Als sie sich also von Chasen Manor davongeschlichen hatte, war das in menschlicher Gestalt geschehen, zu Fuß und schwarz gekleidet. Sie hatte es bis zur Leihbücherei
geschafft, bevor Rue als Rauch zu ihr herabschwebte, um sie zu fangen.
    Die Leihbücherei, um vier Uhr des Morgens. Sie hatte sich mit den Rücken gegen das nach vorn gewölbte Fenster gelehnt und mürrisch ihre Füße angestarrt. Zu dieser Stunde schlief fast jeder. In der Schänke hielten sich immer noch Gäste auf, aber die waren betrunken, außerdem befand sich das Gebäude am anderen Ende des Dorfs. Wie gewöhnlich nahm keiner Notiz von ihr.
    Eines der Bänder hatte sich aus seiner Verankerung gelöst, es sah vor den Pflastersteinen wie eine Schlange aus. Unschlüssig stand sie da, beobachtete, wie es nahe ihres Rocksaums von einer Brise bewegt hin und her flatterte. Sie hatte Durst, und sie hatte nicht daran gedacht, etwas zu trinken mitzunehmen.
    »Es ist spät«, sagte die Stimme ihrer Mutter ruhig und gleich neben ihr.
    Und weil sie durstig war und weil ihr kleiner Augenblick der Rebellion so rasch unterdrückt wurde, hatte Audrey höhnisch geantwortet: »Und?«
    »Und nichts, um genau zu sein.« Rue hielt sich im Schutz der Markise über dem Büchereieingang. »Ich habe mich auch immer an der Nacht erfreut. Recht nützlich, wenn man

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