Der träumende Kameltreiber (German Edition)
diese Dinge nur verboten, weil er davon ausgeht, dass wir dann die Frauen im Stich lassen würden. Aber ich schwor Gott, dass ich dieser Frau niemals wehtun noch sie verlassen, noch sie enttäuschen würde. Und ich spürte, dass Gott mir diese Sünde verzieh.
Wir verbrachten die restlichen Tage und Nächte nach dem gleichen Muster: Ski fahren, essen, trinken, lieben und schlafen. Gelegentlich sahen wir dunkle Wolken am Horizont aufkommen, wir fragten uns, was wohl aus uns werden sollte. Wie lange konnte ich einfach so in den Tag hinein leben, ohne Beschäftigung, ohne Sinn? Ich dachte oft an Omar Khayyams Worte: ‚So lang du trunken bist von Wein, sei glücklich, so lang dir im Schoß ein Mädelein, sei glücklich, und da der Dinge Ende ist das Nichts, bedenke, dass du nichts bist, sei glücklich.’ So einfach, guter alter Omar, ist es aber nicht! Wir verjagten die Wolken durch Liebe, Hoffnung, Singen, Tanzen und Lachen.
Und als wir im Auto wieder Richtung Zürich fuhren, tauchten diese Wolken wieder auf. Heidi bat mich um noch ein Lied von Om Kalthoum und ich sang ihr ‚Inta Omri – du bist mein Leben’. Ihr hättet mich erschlagen, aber sie fand meinen Gesang himmlisch, und ich sang aus voller Kehle, im Wissen, dass der Geländewagen genauso dicht war wie der BMW und keinen Ton auf die Straße ließ:
Deine Augen gaben mir zurück
was war, zu jenen vergangenen Tagen.
Sie lehrten mich, die Vergangenheit und ihren Schmerz zu bedauern.
Was ich sah, bevor meine Augen dich sahen,
ist verlorene Zeit und zählt nicht zu meinem Leben.
Du bist mein Leben, mit dir begann mein erster Morgen.
Wie viel davon habe ich vor dir verloren!
Mein Herz hat vor dir keine Freude erlebt,
es hat nur Trauer und Schmerz gekannt.
Erst jetzt beginne ich, mein Leben zu lieben
und zu befürchten, dass die Zeit davonläuft.
Jedes Glück, das sich mein Herz je wünschte,
fand ich im Licht deiner Augen.
Du bist mein Herzschlag, teurer als mein Leben,
warum habe ich dich nicht früher getroffen?
Was ich sah, bevor meine Augen dich sahen,
ist verlorene Zeit und zählt nicht zu meinem Leben.
Die süßen Nächte, die Sehnsucht und die Liebe
habe ich für dich aufbewahrt.
Koste mit mir die Liebe, Bisschen um Bisschen,
koste meine Zärtlichkeit und die Sehnsucht nach deiner.
Lass mich im Universum deiner Augen mich verirren.
Lass meine Hände in deinen sich erholen.
Häbibi, komm, wir haben so viel verpasst.
Was ich sah, bevor meine Augen dich sahen,
ist verlorene Zeit und zählt nicht zu meinem Leben.
Du bist teurer als mein Leben.
Du bist süßer als meine Träume.
Nimm mich in deine Zärtlichkeit
aus dieser Welt und entferne mich.
Fern, fern, nur du und ich,
weit weg und ganz alleine.
Unsere Tage erwachen aus Liebe.
Voller Sehnsucht sind unsere Nächte.
Ich schloss Frieden mit meinem Leben dank dir.
Ich verzieh der bitteren Zeit deinetwegen.
Ich vergaß meine Schmerzen mit dir
und ließ die Trauer hinter mir.
Was ich sah, bevor meine Augen dich sahen,
ist verlorene Zeit und zählt nicht zu meinem Leben.
Als ich den letzten Satz ‚intä, intä ooooomri’ beendete, schossen mir die Tränen aus den Augen und mich schauderte. Heidi musste rechts anhalten und schluchzte. Wir stiegen aus, nahmen einander in die Arme und heulten uns aus. Gegen meine langsam sich heranschleichende Sehnsucht, gegen die Aufenthaltsgesetze und gegen die Unvereinbarkeit unserer Zukunftswege war kein Geld der Welt mächtig genug.
Es geschah am vierzehnten Februar. Es war ein Tag, den sie Valentinstag nennen, den Tag der Liebe. Alle schenkten sich Blumen und schrieben Liebesbriefe. Das Geschäft mit den Pralinen lief außerordentlich gut. Heidi musste mithelfen, denn sie war ein Tausendsassa, wisst ihr? Sie kann managen, mit Managern essen und verhandeln, sie kann in der Fabrik aushelfen und im Laden. Das ist nicht wie bei uns, wo ein Chef sich nie die Finger schmutzig macht oder mit einem Arbeiter auch nur redet. Das macht ihren Erfolg aus, sie sind nicht nur polyvalent, sondern omnivalent, überall zu gebrauchen. Ja, ja. Wir haben noch viel zu lernen. Seht mich an. Glaubt ihr, ich mache noch die Drecksarbeit mit den Stuten? Ich habe dafür jemanden engagiert.
An jenem Morgen setzte ich mich nach dem Frühstück zur alten Dame und fragte sie, wieso denn alle – sogar das Fernsehen – auf diesen Valentinstag aufmerksam machten. Sie lachte und sagte mir: ‚Wissen Sie, vielleicht ist es in Ihrer Kultur nicht so, aber bei uns
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