Der Trafikant / ebook (German Edition)
Gruß an die Mütze und verschwand wieder. Irgendwo hinterm Wienerwald begann die Sonne unterzugehen, die Biere waren ausgetrunken, und Otto Trsnjek fing an, sich ein paar Worte zurechtzuräuspern. »Interessant«, sagte er, »dass man an einem ganzen Tag so wenig reden kann!«
In diesem Augenblick hielt ein altmodischer, dunkler Wagen vor dem Eingang, und drei Männer in grauen Anzügen stiegen aus. Unnötigerweise klopfte einer von ihnen an den offenen Türrahmen, ein etwas verhärmt aussehender Mann mit gelblichem Beamtengesicht: »Herr Trsnjek?«
»Wir schließen gleich«, sagte der Trafikant.
Der Mann verzog seinen Mund zu einem schiefen Lächeln. Sein rechtes Ohr leuchtete rosig im Abendlicht. Das kann schon sein«, sagte er, »aber erst dann, wenn wir es Ihnen sagen!«
»Schleichts euch, ihr Sauhund’!«, zischte Otto Trsnjek leise, und es klang, als wolle er den drei Herren ihre Hüte vom Kopf spucken. Der Verhärmte verharrte eine Sekunde, nickte darauf seinen Kollegen zu und trat einen Schritt zur Seite. Einer der Männer nahm die Tür, der andere trat direkt durch die Auslage hinein. Ohne erkennbare Ausholbewegung schlug er Franz seine Faust gegen das linke Ohr. Noch während Franz vom Hocker rutschte, spürte er, wie das warme Blut aus seiner Ohrmuschel schoss. Durch das Rauschen hindurch hörte er die Schreie des Trafikanten und das Reißen seiner Wollweste, als sie ihn packten und über die Theke auf den Boden zerrten. »Otto Trsnjek, ich verhafte Sie, wegen Besitz und Verbreitung pornografischer Druckerzeugnisse!«, rief der Verhärmte. Für einen Moment war es still. Obwohl der Trafikant mit gesenktem Kopf auf dem Boden kniete, glaubte Franz, an seiner Stirn einen dunklen Fleck zu erkennen.
»Wo hast denn die Wichsheftln versteckt?«, fragte der Verhärmte. Otto Trsnjek ließ seinen Kopf noch tiefer sinken. Einer der Männer trat ihn wuchtig gegen die Rippen. Mit einem grunzenden Geräusch kippte er zur Seite, legte seine Hände schützend vors Gesicht und zog sein Bein so eng wie möglich an den Körper. Auf ein Nicken seines Vorgesetzten ging der dritte Mann hinter die Theke, riss die Schublade auf, zog den schmalen Stoß »Zärtlicher Magazine« heraus und hielt ihn mit einem triumphierenden Grinsen in die Höhe.
»So einen Schund verkaufst du den Juden?«
Otto Trsnjek ruckte mit seinem Kopf und öffnete den Mund zu einem kaum hörbaren »Ja!«
»Seit wann geht das schon so?«
»Weiß nicht.«
Der Verhärmte nickte, und sein Kollege trat zu. Ein harter Tritt mit der Schuhspitze in die Nierengegend. Otto Trsnjek stöhnte dumpf und krümmte sich noch enger zusammen. Franz schloss die Augen. Das Rauschen in seinem Ohr war leiser geworden, der Schmerz fast verflogen. Plötzlich musste er an die Würmer denken, die er als Bub nach andauernden Regenfällen aus der saftigen Erde gezogen hatte und die sich in seiner Handfläche immer so blind und sinnlos gewunden hatten. Komisch fühlten sich diese Würmer an, glitschig, prall und kühl, und wenn man sie mit einer Nähnadel piekste, kringelten sie sich ganz klein zusammen und aus der Einstichstelle quoll ein dunkles Tröpfchen heraus.
»Also, noch einmal: Seit wann verkaufst du deine Drecksheftln an die Juden?«
»Immer schon …«, flüsterte der Trafikant.
»Mein lieber Herr Zeitungstandler, so etwas tut man doch nicht«, sagte der Verhärmte mit einem tadelnden Kopfschütteln. Er bückte sich, packte Otto Trsnjeks Kopf an den Haaren und hob ihn langsam vom Boden.
»Aber das stimmt doch gar nicht!« In der Ecke hatte sich Franz aufgerappelt und stand nun auf wackeligen Beinen da »Die Heftln gehören mir! Die hab ich mir gekauft! Alle miteinander! Weil ich mir so was eben manchmal gerne anschau!«
»Halt deine Goschn, Franz!«, zischte der Trafikant. »Du weißt ja überhaupt nicht, was du da redest!«
»Mit Verlaub, das weiß ich sehr wohl! Und außerdem: Die Wahrheit ist die Wahrheit und aus! Und wenn einer einen Blödsinn gemacht hat, muss er auch dafür einstehen können! Da werden Sie mir recht geben müssen, Herr Polizist, oder?«
Der Verhärmte ließ Otto Trsnjeks Kopf fallen wie einen faulen Apfel. Er richtete sich auf und starrte Franz an.
»Das Beste wird also sein, Sie nehmen mich gleich mit aufs Revier oder auf die Wachstube oder sonst irgendwohin. Die Heftln sind schließlich meine Heftln, ich hab sie gekauft und gelesen, ich hab mir die Bilder angeschaut, und ich hab sie in der Lade versteckt. Und wenn das alles ein
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