Der transparente Mann (German Edition)
Männer – das sollte es geben! Oder, wie gesagt, eine Webseite im Internet, auf der Frauen solche Mistkerle gnadenlos outen konnten. Der Gedanke elektrisierte Joe und gefiel ihr immer besser. Sie malte sich aus, wie die Frauen dieser Welt an ihren Computern saßen, um akribisch ihre Männerflops zu listen. Und wie andere Frauen dort stets nachsahen, bevor sie sich auf eine neue Liebe einließen. So eine Webpage wäre die größte Revolution nach der Pille.
»Worauf sollen wir anstoßen?« Konstantin füllte ihre Gläser mit Champagner. Sein Blick war wieder eine große Liebeserklärung.
»Worauf möchtest du denn anstoßen?«, erwiderte Joe kokett.
»Auf uns. Und auf die wahre Liebe.«
Seine Augen konnten so perfekt lügen. Joe hob ihr Glas. »Ja. Auf die wahre Liebe.« Sie spürte seine Irritation wegen ihres spöttischen Untertons.
»Sag mal, wann öffnest du denn endlich den Umschlag? Bist du plötzlich nicht mehr neugierig?« Sein Blick war prüfend.
Zögernd griff Joe nach dem Briefumschlag. Er brannte wie Feuer zwischen ihren Fingern. Ihre Hände waren feucht, als sie ein Ticket herauszog – ihr Ticket nach Rom. Sie schwieg, schaute erst auf das Ticket und dann auf Konstantin. In ihrem Blick lag der Schmerz ihrer Seele.
»Was ist los? Freust du dich nicht?« Konstantin war irritiert.
»Ich fliege nicht mit.« Die Worte kamen ihr kalt und leblos über die Lippen.
»Das ist nicht dein Ernst!« Er war ehrlich verblüfft und ließ sein Glas sinken.
»Jetzt trinke ich nicht auf die wahre Liebe, sondern auf die wahre Lüge!« Joe hob ihr Glas und sah Konstantin provozierend an.
»Was soll das?«
»Was das soll? Du hast gesagt, dass du mich liebst.«
»Ich liebe dich ja auch.«
»Ach nee! Und wen noch?«
»Sag mal, hast du noch Fieber?« Jetzt klang er gereizt.
»Nicht mehr.« Joes Blick war kalt wie der Nordpol.
»Willst du streiten?«, fragte er in überheblichem Ton und mit leichtem Spott in der Stimme. »Also, wenn du das unbedingt brauchst …«
»Du hast mich betrogen!«
Konstantin schaute jetzt richtig genervt. Er holte tief Luft. »Ich dachte, du wärst nicht so. Da stehe ich nämlich gar nicht drauf.«
»Aber auf viele Rosen für viele Damen.«
»Johanna. Bitte. Dafür bist du wirklich zu alt.«
»Nein, sonst hätte ich dir nicht vertraut. Du schickst doch vielen Frauen rote Rosen, oder?«
»Hör mit diesen dämlichen Rosen auf! Ich habe auf Eifersuchtsszenen keine Lust. Deshalb verbringe ich nicht den Abend mit dir.«
»Okay, dann ruf doch Stefanie Weiss an. Die freut sich sicher.« Joe fiel es schwer, ihn nicht anzubrüllen. Sie stand auf, als sie hinzufügte: »Die Blumen, die bei mir gelandet sind, waren übrigens für Anna Bauer. Ach ja, und diese Monika … Tauschst du da Naturalien gegen gute Presse? Und vielleicht hat ja Julia Grafenberg ihrem Mann ins Ohr geflüstert, dass er dein komisches Wüstenfoto kaufen soll, weil du sie so wunderbar befriedigst!« Joe funkelte ihn herausfordernd an.
Sein Gesicht wurde zu einer Maske. Er schwieg.
Joe hasste dieses Schweigen. Sie ahnte bereits, dass sie eher Granit zerbeißen könnte, bevor er zu einem ehrlichen Gespräch bereit war.
»Kennst du diesen treffenden Spruch von Erich Fromm?« Der Blick, mit dem Konstantin sie ansah, sprach von Schmerz. »›Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft‹«, zitierte er dann genüsslich. Dabei gab er sich Mühe, sein Amüsement über ihr Verhalten mit einem herablassenden Lächeln zu dokumentieren.
Hätte Joe nicht mit eigenen Augen gesehen, was sie gesehen hatte, wäre sie sich dumm und kleinlich vorgekommen. So aber entgegnete sie nur beherrscht: »Na gut. Wie du willst.« Sie verließ das Wohnzimmer und verschwand im Schlafzimmer. Als sie nach wenigen Minuten zurückkam, trug sie das silberne Kostüm des Clowns, hatte den spitzen Hut aufgesetzt und verbeugte sich vor Konstantin mit einer süffisanten Geste.
Joe registrierte den Blitz der Erkenntnis in seinen Augen. Sie sah, wie er nach einem Ausweg oder wenigstens einer Erklärung suchte. Dann lachte er. »Du spionierst mir hinterher? Als Clown?« Er bemühte sich, noch etwas lauter zu lachen. »Das finde ich wirklich süß.« Dann stand er auf und wollte sie doch tatsächlich in den Arm nehmen.
Joes Blick hätte töten können. Schweigend ging sie aus dem Wohnzimmer in den Flur und griff nach ihrem Mantel.
Sein Lachen verstummte. Er kam ihr nach, und jetzt war er es, der sie verstört ansah. »Du bist
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