Der transparente Mann (German Edition)
seinem Bett ihre Lust auslebten. Joe startete hastig den Motor und fuhr davon. Sie hatte genug gesehen, um Konstantin für immer zu hassen.
Zum Glück war heute Samstag. Wäre es ein Arbeitstag gewesen, hätte Joe eine Sonnenbrille aufziehen müssen, so verquollen waren ihre Augen vom vielen Weinen.
So aber lag sie noch im Bett, hatte die Knie bis ans Kinn gezogen, umklammerte dabei ihr Kopfkissen und den Stoffhasen. Gerade so weit lugte ihr Kopf unter der Decke hervor, dass sie noch atmen konnte.
Alf klopfte zweimal, bevor er mit einer Tasse Milchkaffee ihr Zimmer betrat. Als er das jämmerliche Knäuel unter der Decke entdeckte, setzte er sich auf die Bettkante und stellte den Kaffee neben das Buch, in das Joe bis vor zwei Tagen noch so eifrig geschrieben hatte und in das sie nie wieder schreiben würde.
Alf schwieg.
Es tat Joe gut, dass er einfach nur neben ihr saß und ihr übers zerzauste Haar strich. Als sie nach einer Weile doch aus ihrer Höhle kroch und sich aufsetzte, reichte er ihr den Kaffee, der ihre Lebensgeister wenigstens ein bisschen weckte.
»Dieses Arschloch, so ein Betrüger!« Sie schniefte und sah Alf aus verheulten Augen an. »Der muss sich über mich totgelacht haben.«
»Das hat er sicher nicht.«
»Er hat mich nie geliebt.« Joe fing wieder an zu weinen.
»Das ist doch Quatsch, und das weißt du auch.«
»Von wegen karmische Verbindung!«, stieß sie verletzt hervor.
»›Karmisch‹ bedeutet nicht, dass es so läuft, wie du es dir wünschst. ›Karmisch‹ sagt nur, dass ihr euch treffen musstet, um voneinander etwas zu lernen.«
»Darauf hätte ich auch verzichten können. Wie konnte er so etwas bloß tun?«
Alf zuckte mit den Schultern, weil dies eine Frage war, die auch er sich in seinem Leben schon oft gestellt hatte. Irgendwann war er allerdings zu der Erkenntnis gelangt, dass in diesen Fällen die Suche nach Erklärungen sinnlos war. Die Antwort änderte nie etwas am Schmerz. »Weißt du«, tröstete er sie, »ich glaube, Konstantin liebt alle Frauen. Das ist sein Naturell. Er kann sein Herz eben teilen.«
»Aber ich nicht!«, entgegnete Joe wütend. »Willst du ihn auch noch verteidigen?«
»Nein.« Alf reichte ihr noch ein Taschentuch. »Ich sage dir nur, wie Männer sein können, weil ich auch ein Mann bin. Übrigens – er hat schon zweimal hier angerufen. Ich habe ihm gesagt, dass du erkältet bist, noch schläfst und dich meldest. Er hat tatsächlich gefragt, ob er vorbeikommen soll.«
»Das ist doch einfach dreist!« Joe sprang auf und stapfte in ihrem geblümten Pyjama durchs Zimmer.
»Er ist, wie er ist. Und er wird sich auch nicht mehr ändern.«
»Darauf pfeif ich.« Joe putzte sich die Nase und schleuderte das Tempo voller Wut zu den vielen anderen, die bereits auf dem Boden lagen. Durch das Dachfenster sah sie, dass der Himmel langsam wieder blau wurde. Sie sah das achtlos über den Boden verstreute silberne Clownskostüm und die vielen benutzten Taschentücher. Sie sah Konstantins Bild auf ihrem Nachttisch und das Buch. Sie sah sich selbst in ihrem desolaten Zustand, und sie wusste, dass Alf Recht hatte. »Frauen müssten vor solchen Männern echt gewarnt werden!«, schimpfte sie deshalb mit ersten Anzeichen von Kampfgeist in ihrer Stimme.
»Ja, Liebes, wenn man es nur vorher wüsste! Das würde einem eine Menge Kummer ersparen.« Alf schickte sich an, das Zimmer zu verlassen.
»Danke. Du bist mir doch der Allerliebste«, meinte Joe leise.
»Was Süßes oder was Scharfes zum Frühstück?«
»Spiegeleier mit gebratenem Speck, Tomaten und Bohnen.«
»Sehr gut!« Alf wirkte erleichtert, denn wenn Joe Hunger hatte, war das immer ein gutes Zeichen. Er warf ihr noch den Bademantel zu, bevor sie ihn kurz darauf in der Küche klappern hörte. Da stand sie schon unter der Dusche. Ja, Alf hatte Recht, überlegte sie, während das heiße Wasser über ihren Körper rann. Es müsste so etwas wie ein öffentlich zugängliches männliches Sündenregister geben. Dann wüsste man wenigstens, worauf man sich einließ. Joe lächelte über diesen Geistesblitz und ließ jetzt sogar eiskaltes Wasser über ihren Körper laufen. Vielleicht bekam sie so ja wieder einen klaren Kopf.
Keine verräterische Verlegenheit, nicht mal der Hauch eines schlechten Gewissens spiegelte sich in Konstantins Zügen, als er ihr beschwingt die Haustür öffnete. Joe stand mit ihrer schwarzen Reisetasche, die sie üblicherweise zu ihm mitnahm, einfach da und lächelte mit gespielter
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