Der transparente Mann (German Edition)
Mann zu stylen.
»Ganz einfach, weil ich das brauche.« Trotzdem aß sie mit Genuss.
»Aber du weißt doch schon alles.«
»Vielleicht täusche ich mich ja doch.« Sie warf Alf einen hoffnungsvollen Blick zu, obwohl sie in der Tiefe ihres Herzens wusste, dass dieser Wunsch völlig unsinnig war. So ein blitzartiger Sinneswandel passte nicht zu einem Mann, der fahrlässig mit Frauenherzen spielte und stets eine neue Herzdame irgendwo versteckt hatte. »Weißt du, ich brauche einfach letzte Gewissheit.«
»Du bist eine unverbesserliche Träumerin und hast von Männern noch weniger Ahnung als vom Kochen.« Während Alf das sagte, wirkte er beschwingt wie seit Monaten nicht mehr. Seine Augen leuchteten, und er tat höchst geheimnisvoll, als Joe ihn darauf ansprach, dass er in der letzten Nacht sehr spät nach Hause gekommen war. Zwar war er, rücksichtsvoll wie Alf nun mal war, ganz leise und nur auf Zehenspitzen durch die Wohnung getappt, aber da Joe noch immer schlecht schlief, hatte sie ihn dennoch gehört und auf die Uhr geblickt. Vier Stunden nach Mitternacht sprachen für einen interessanten Abend.
Joe bohrte nicht weiter nach. In ihrem Kopf schwirrte immer noch die vage Hoffnung, doch mehr in Konstantins Herzen hinterlassen zu haben als einen Fleck, der einfach weggewischt und anderweitig besetzt worden war. Sie musste es einfach wissen. Genau deshalb fuhr sie inkognito zum Flughafen.
In geheimer Mission saß Joe auf einem Plastikstuhl im lichtdurchfluteten Terminal des Franz-Josef-Strauss-Flughafens. Ihre Haare hatte sie unter Alfs roter Kappe versteckt. Es war ein völlig verwaschenes Exemplar, das Alf vor vielen Jahren in einem Souvenir-Shop auf dem Nürburgring erstanden hatte, da er Fan von Michael Schumacher war. Er schaute sich jedes Rennen im Fernsehen an, ab und an fuhr er sogar zur Rennstrecke, um von einem billigen Platz aus das Spektakel zu beobachten. Joe hatte nie verstanden, warum Alf sich ausgerechnet für Autorennen interessierte, da er selbst nur mit Tempo hundert über die Autobahn schlich. Schnelligkeit bereitete ihm nämlich Angst. Auf ihre Frage hin hatte Alf breit gegrinst und erklärt: »Vielleicht fasziniert mich diese Raserei ja gerade deshalb so, weil ich mich selbst niemals trauen würde, so zu heizen.«
Joe trug auch Alfs MiamiVice -Sonnenbrille und hatte ihren Busen unter seiner Jeansjacke verborgen. Auf den ersten Blick hätte man sie tatsächlich mit einem jungen Mann verwechseln können, der mit aufgeschlagener Tageszeitung einfach auf einer der Bänke wartete. Ab und zu warf sie einen Blick auf die Menschen, die geschäftig ihre Koffer hinter sich herzogen, zu einem anderen Gate eilten oder sich nur schwer voneinander verabschieden konnten. Eine Liebe auf Distanz war nicht nach Joes Geschmack. Wenn sie liebte, könnte sie es kaum ertragen, ihren Freund oder Mann nur am Wochenende zu sehen. Es schien, als ginge es der Frau mit den rotgesträhnten Haaren ebenso. Joe sah ihre Tränen, ihr verklärtes Gesicht. Während ihr Liebster durch die Abfertigung ging, drehte die Frau sich im Laufen immer wieder zu ihm um, um noch einen Luftkuss von ihm zu erhaschen. Ob er wohl treu war, wenn er wieder ohne sie sein Leben lebte?
Um ihre Gedanken von Konstantin abzulenken, malte Joe sich aus, welche Liebesgeschichten und welche Leiden sich hinter den jungen, alten, schönen und hässlichen Gesichtern verbargen, die sich ihr hier wie im Kino präsentierten. Sie sah auf die Anzeigetafel. Es waren noch knapp zwanzig Minuten bis zum Abflug. Konstantins Flug wurde schon geboarded. Offensichtlich hatte er wirklich die Tickets verfallen lassen und saß jetzt allein in seinem großen weißen Haus und vermisste sie. Erleichtert wollte Joe gerade ihre Zeitung zusammenfalten, als Konstantin schnellen Schrittes durch die Glastür hastete. Gut erholt sah er aus und bestens gelaunt. Er trug das braune Kaschmir-Jackett, das Joe vor vier Wochen in die Reinigung gebracht hatte. Neben ihm hetzte eine junge Frau in Richtung Abfertigungsschalter. Joe kannte sie nicht. Es war keine von denen, denen er Rosen hatte schicken lassen. Aber sie war jung, wirkte verliebt und ebenso ahnungslos, wie Joe es wunderbare sieben Monate lang gewesen war.
Die ältere Dame am Check-in-Schalter lächelte trotz dieser Verspätung, als wollte sie für Zahnseide werben. Das lag nicht ausschließlich an Konstantins Charme, seinem jungenhaften Lachen, dem man schwerlich etwas abschlagen konnte. Konstantin und die andere flogen
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