Der transparente Mann (German Edition)
wollte.
Marc nahm sie einfach beim Wort! Behände lud er sein Rad vom Kastenwagen und verschwand kurz darauf durch die Einfahrt.
Joe versuchte, sich trotzdem positiv zu motivieren. Es war eine gute Gelegenheit, bei ihrem Vater nachzuhaken, warum die vereinbarte Prämie für den Auftrag noch immer nicht auf ihrem Konto eingegangen war. Entschlossen zog sie die Lagertür hinter sich zu, verriegelte sie, ging am Ausstellungsfenster mit den neuesten Badeinrichtungen vorbei, zum Hauseingang und von dort in den ersten Stock, wo sich das Büro befand. Dieses leidige Geldthema war bereits öfter diskutiert worden. Dabei ging es nur um zweitausend Euro, die, bezogen auf das Auftragsvolumen, sehr bescheiden waren, nicht einmal ein halbes Prozent. Höchst unwillig hatte ihr Vater damals über diese Bedingung geknurrt, sich dann aber doch auf den Deal eingelassen, weil zu viel auf dem Spiel gestanden hatte. Seinetwegen hatte sie schließlich zum zweiten Mal ihr Studium verschoben, und ihr Vater stand gewaltig in ihrer Schuld, fand Joe.
Die Stimmung im Büro war so angespannt, wie Joe vermutet hatte.
»Hallo!« Als Joe eintrat, blickte Hilda Benk nur kurz auf, um sich dann gleich wieder in Bankleitzahlen, Kontonummern und Summen zu vertiefen.
»Lässt du dich auch endlich blicken!«, polterte Werner Benk missgelaunt und legte den Armaturen-Prospekt beiseite, in dem er geblättert hatte.
Joe verzog das Gesicht. »Gut, dass ich dich hier treffe!«, sagte sie, während sie scheinbar konzentriert in ihrem Schreibtisch nach Unterlagen wühlte »Hast du mein Geld endlich überwiesen?«
Sein Feuerzeug klickte, sie roch den Rauch und wusste, dass er noch nichts dergleichen veranlasst hatte.
»Du kriegst es schon noch.«
»Diese Woche.« Sie schickte sich an zu gehen, als das Telefon klingelte, auf dem an diesem Tag die Notrufe eingingen. Joe wollte nach dem Hörer greifen, doch ihr Vater war schneller.
»Firma Benk. Was kann ich für Sie tun?« Ein Anrufer, der ihn nicht sah, musste seiner Stimme nach auf einen herrlich männlichen Mann schließen. Aufmerksam hörte Werner Benk seinem Gesprächspartner zu, schaute dann Joe an, runzelte die Stirn und meinte: »Ja, zufällig ist meine Tochter gerade hier. Kein Problem, wenn wir die Wünsche unserer Kunden erfüllen können, tun wir das gern. Sie müssten mir nur noch Ihre Anschrift geben.« Er notierte alles auf einem Auftragszettel und sagte dann: »Sie ist in der nächsten Stunde bei Ihnen.« Danach verabschiedete er sich, legte auf und sah Joe an. »Du ganz persönlich wirst gewünscht.«
»Ich? Von wem?« Joe hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Was, wenn Konstantin …?
»Probleme mit der Heizung. Ist was für dich. Ist eine feine Adresse.«
»Lass sie in Ruhe, Werner«, sagte Hilda leise, aber er störte sich nicht daran.
»Wer ist es?« Joes Stimme klang seltsam fremd.
»Eine Frau.«
Joe war erleichtert. Es war also nicht Konstantin. »Und wie heißt diese Frau?«
»Grafenberg.«
Der Name fuhr Joe wie ein Blitz in die Glieder. Ihr Mund stand offen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Was wollte Julia Grafenberg von ihr? Ließ sie sich als Fürsprecherin von Konstantin einspannen? Oder wollte sie sich gar mit ihr solidarisieren? Joe fühlte sich hin- und hergerissen.
»Du hast heute Notdienst«, entgegnete sie. Sie hatte nicht die Absieht, sich von Julia Grafenberg von oben herab behandeln zu lassen. Julia würde ganz als Frau von Welt und Herrin einer feudalen Villa auftreten, während Joe selbst als kleine Installateurin vor ihr stehen würde. Sie sah sich bereits mit Plastiküberziehern vor der Heizung knien, während Julia Grafenberg in Halterlosen und mit Drink in der Hand ihre Überlegenheit demonstrierte. »Nein, das mache ich nicht«, erklärte Joe laut und nachdrücklich.
»Da bleibt dir wohl nichts übrig.«
Joe kämpfte um ihre Contenance. Sie umklammerte den Griff ihrer Tasche, und in ihrem Blick vermischten sich Wut und Traurigkeit.
»Sie hat ausdrücklich nach dir verlangt.«
Joe starrte ihn an.
»Der Kunde ist König.«
Mit versteinerten Zügen beobachtete Joe, wie er eine Überweisung aus der Schublade zog, sie unterschrieb und seiner Frau auf den Schreibtisch legte. »So! Jetzt gehe ich ein Bier trinken.«
Empört drehte Joe sich auf dem Absatz um und lief die Treppe hinunter. Nun würde sie sich erst recht nicht unterkriegen lassen. Julia Grafenberg und Konstantin sollten bloß nicht glauben, dass man sie einschüchtern konnte, indem man sie
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