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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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Tür und hörte, wie er die wohlklingenden Liebesschwüre laut vor seiner Wohnungstür leistete, und als er seiner Frau versprach, sofort und in ihrem Beisein die Affäre zu beenden, hörte Joe das entscheidende Geräusch: Zweimal wurde der Schlüssel im Schloss herumgedreht, mit leisem Rasseln fiel die Kette aus der Sicherheitsschiene, und die Tür zur Wohnung der Wimmers öffnete sich. Wie auf ein geheimes Kommando hatte sich das Licht im Treppenhaus wieder ausgeschaltet und schenkte den beiden die Diskretion, die sie nun brauchten.
    Joe lächelte und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Die Harmonie schien wieder auf den Weg gebracht zu sein. Joe war völlig geschafft, trank noch den letzten Schluck Bier und kuschelte sich dann in ihr Bett. Der Mond leuchtete durch ihr Dachfenster und schien mit Wohlwollen auf sie herabzublicken. Joe war zwar müde, aber zufrieden mit sich und diesem Tag. Plötzlich sah sie unendliche Möglichkeiten, Positives mit ihrer Webpage zu bewirken.

Acht
    Das Desaster ereilte Joe, kaum dass sie um sieben Uhr den Bauwagen betrat, um mit Franz Wagenscheidt bei einem Morgenkaffee die anstehenden Arbeiten zu besprechen. Es war noch kühl, und Joe behielt selbst hier ihre alte Lederjacke an, denn mit dem Fortschreiten des Herbstes sanken auch allmählich die Temperaturen. Joe mochte diese Jahreszeit nicht, in der die abgestorbenen Blätter von den Bäumen fielen, bis diese trostlos und nackt dastanden, um darauf zu warten, dass der nächste Frühling ihnen neues Leben einhauchen würde. Trotzdem war sie guter Dinge, denn sie hatte fantastisch geschlafen und freute sich auf diesen neuen Arbeitstag. Doch da drang plötzlich Wagenscheidts freche Behauptung an ihr Ohr.
    »Morgen«, brummte er schlecht gelaunt und kam dann ohne Umschweife zur Sache: »Ich habe Sie bereits vor einiger Zeit darüber informiert, dass die Trockenbaufirma, die für die Verkleidung der Mauern zuständig ist, zwei Wochen früher als geplant erscheinen wird. Und zwar gleich am kommenden Montag!« Das alles sagte er so laut und donnernd, wie es nur ein Mann von seiner kräftigen Statur vermochte. Dabei stand er vor dem großen Planer und trommelte mit den Fingern darauf, als könnte er so Unrecht in Recht verwandeln.
    Joe war fassungslos, denn sie wusste ganz genau, dass Wagenscheidt noch nie ein Sterbenswörtchen von dieser Terminänderung erwähnt hatte. Der Cognac, den er sich jetzt in großen Mengen in den Morgenkaffee schüttete, würde daran auch nichts ändern!
    Sie rang mit ihrer Beherrschung. Am liebsten hätte sie Franz Wagenscheidt angebrüllt, weil er mit seinen dreisten Lügen die Verantwortung einfach auf sie abwälzte. Ja, sie und ihre Leute waren nun die Dummen, denn logischerweise konnten die Wände erst dann verkleidet werden, wenn alle Leitungen fertig isoliert waren. Und das war noch längst nicht der Fall.
    »Vielleicht lässt sich der Beginn der Trockenbauarbeiten ja noch verschieben«, begann Joe ruhig, doch der Oberbauleiter wischte ihren Vorschlag mit einer brüsken Handbewegung zur Seite.
    »Keine Chance«, bellte er, »im Anschluss an die Arbeiten bei uns sind die Handwerker bereits auf einer anderen Baustelle eingeteilt.«
    In Joes Kopf überschlugen sich die Gedanken. Letztendlich lief es nicht nur auf eine Verzugsstrafe hinaus – es war viel schlimmer. Wenn nicht noch ein Wunder geschah, war der Fertigstellungstermin nicht mehr einzuhalten. Wütende Mieter würden dann für mehrere Wochen auf der Straße stehen und die Baufirma mit Klagen überschütten. Wagenscheidt wäre seinen Job los, und er würde Joe dafür verantwortlich machen, da er ihr ja dreist den schwarzen Peter zugeschoben hatte. Und ihr Vater? An den wollte Joe in diesem Moment am liebsten gar nicht denken, denn er würde bestimmt ins selbe Horn wie Wagenscheidt blasen und nicht ihr, sondern dem Oberbauleiter glauben. Das machte Joe schlagartig traurig.
    Nach diesem unerfreulichen Gespräch eilte sie mit einem flauen Gefühl in der Magengegend in den anderen Bauwagen, in dem sich gerade ihre Männer für den neuen Arbeitstag umzogen. Ihr Lachen und ihre Witze drangen durch die geschlossene Tür zu ihr, und Joe wusste, dass sie nur eine Chance hatte: Sie musste die Monteure überreden, die nächsten Tage auf ihre Pausen zu verzichten und abends auch noch länger zu arbeiten, was die Firma Benk natürlich bezahlen und Wagenscheidt als Überstundenkosten in Rechnung stellen würde. Das wäre machbar, wenngleich Joe den

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