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Der transparente Mann (German Edition)

Der transparente Mann (German Edition)

Titel: Der transparente Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Sixt , Barbara Wilde
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Doch da hörte sie bereits die Tür ins Schloss fallen. Im Hintergrund sang Robbie Williams nur noch für sie.
    Joe setzte sich wieder hin, sie zog ihre Beine auf das Sofa und umschlang ihre Knie. Während sie an Marcs Jeans schnupperte, die nach Waschmittel rochen, schaute sie sich um, konnte aber nichts entdecken, was auf die Existenz irgendeiner Frau in Marcs Leben schließen ließ. Sie sah die Buddha-Figuren, die er als Souvenir von seinen Reisen mitgebracht hatte und die jetzt ein chinesisches Regal zierten, das schwarz lackiert war. Über dem Sofa hing eine Fotografie, auf der Berge von Kokosnüssen zu sehen waren. Marc hatte es bei seiner letzten Thailand-Reise aufgenommen, das wusste Joe.
    Sie überlegte, wer wohl die Frau sein mochte, mit der er seine Nächte verbrachte, und ob sie Marc vielleicht schon mal nach Asien begleitet hatte. Um wie vieles glücklicher konnte sie sich schätzen als Konstantins Frauen! Die waren doch nur zu bedauern, befand Joe. Umso wohler fühlte sie sich nun hier bei Marc. Sie schenkte sich ein weiteres Glas Wein ein, obwohl es in ihrem Kopf vom Alkohol bereits leise summte. Eines war jetzt schon klar: Auto fahren konnte sie heute nicht mehr und Marc ebenfalls nicht. Sie würde sich ein Taxi nehmen müssen. Morgen früh könnte Marc sie ja abholen und am Büro absetzen.
    Am Büro? Oje!
    Schlagartig fiel Joe ein, dass sie ihren Vater vergessen hatte. Um sechs hatte sie bei ihm sein sollen. Und jetzt war es bereits nach neun. Der nächste große Ärger stand ihr ins Haus. Und die Webpage wollte sie ja auch noch löschen! Auf einmal erschien Joe die Welt ringsum wieder schwarz und grau, und sie steigerte sich in all das Negative hinein, das ihr noch bevorstand: die Arbeiter, die sauer auf sie waren, Konstantin, der ihr noch lange nicht verziehen hatte, Huber, Hausmeister Wimmer und seine Frau und allen voran ihr Vater, der sie mit Sicherheit von der Baustelle abziehen würde. Und nicht zu vergessen die Presse, die sie fertig machen wollte. Joe ließ sich von diesem Gedankensog so weit runterziehen, bis sie anfing zu weinen.
    Als Marc mit ihrer feuchten Wäsche zurückkam, die er im Bad aufhängen wollte, fand er Joe wie ein Häufchen Elend auf der Couch vor. »Komm«, sagte er, setzte sich zu ihr und strich ihr über das Haar, wie es sonst nur Alf zu tun pflegte, »das ist doch alles nicht so schlimm.«
    »Meinen Vater habe ich auch vergessen«, schluchzte sie auf. »Der schmeißt mich raus. Ganz sicher.«
    Marc nahm sie in den Arm, hielt sie fest und ließ sie lautlos an seiner Brust weinen. Die Anspannung des Tages löste sich in ihr. Trotz der Verzweiflung war es ein angenehmes Gefühl, geschützt in Marcs Armen einfach nur dazusitzen und den Tränen freien Lauf zu lassen. Im Hintergrund hörte Joe die Stimme, die sie im Innersten berührte: »I just wanttofeel real love, feelthehomethat I live in …«
    Langsam beruhigte Joe sich wieder. Sie spürte, wie sich Marcs Wärme, sein Atem und sein Puls auf sie übertrugen, und plötzlich war da noch etwas anderes, das Joe verwirrte.
    »Ist schon okay.« Marc streichelte wieder ihren Rücken. »Es war einfach zu viel für dich.«
    Sie blickte zu ihm auf und sah nun den ungläubigen Zweifel in Marcs Augen, der die stummen Signale ihres verborgenen Verlangens verstand. Sein beruhigendes Streicheln verwandelte sich langsam in ein Liebkosen, scheinbar ganz nebenbei und so leicht, dass er jederzeit wieder einen Rückzieher machen konnte, ohne dass es peinlich geworden wäre. Mit zwei Fingern glitt er über ihr Gesicht, zeichnete ihre Schläfen, ihre Augenbrauen, ihre Wangenknochen und ihr Kinn nach, und das so vorsichtig, als hätte er Angst, es bei dem leisesten Druck zu verletzen.
    Joe fühlte, wie ihr Körper mit steigender Spannung reagierte. Marcs Hand glitt jetzt über ihren Hals, die Schultern hinab, und alles in Joe drängte sich ihm entgegen. Sie nahm seinen vertrauten Geruch neu wahr. War das wirklich sie, die ihn nun küsste, seine Wange, sein Kinn und schließlich seinen Mund? Und als sich ihre Lippen berührten, war es wie eine Explosion, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Es fühlte sich verdammt gut an. Auf jeden Fall viel zu gut, um aufzuhören. Joe ließ sich einfach mitreißen.
    Das hätte Johanna nicht getan.

Zehn
    Kaum war Joe unter Marcs schmaler, weißer Bettdecke aus ihrem kurzen Schlaf erwacht, legte sich eine schwer verdauliche Mischung aus Peinlichkeit und Überraschung auf ihre von vielen Höhepunkten

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