Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
stammelte sie leise.
„Ich auch.“
Er sieht gar nicht verängstigt aus, dachte sie, viel eher wütend.
Leicht rieb er ihr über den Arm, eine Geste, die trösten und Zuversicht geben sollte. „Dem Himmel sei Dank für die Rote Beete.“
Ihr traten Tränen in die Augen. Die Rote Beete. Es hatte ihr diebischen Spaß gemacht, ihn damit aufzuziehen. Die Wahrheitjedoch war, dass sie, als sie das Glas in dem Geschäft im Regal hatte stehen sehen, mit einem Mal Heißhunger auf Rote Beete verspürt hatte. Sie hätte sofort das ganze Glas verschlingen können. Bekam man denn schon in einem so frühen Schwangerschaftsstadium derartige Gelüste? Falls ja, dann sollte Chance dem Himmel für das neu entstehende Leben danken und nicht für die Rote Beete.
Sie wünschte, sie hätte es ihm sofort gesagt. Jetzt konnte sie es ihm nicht erzählen, es würde ihn nur ablenken. Falls wir das hier überleben, werde ich mein Geheimnis nicht eine Sekunde länger wahren, nahm sich Sunny fest vor.
„Das können unmöglich Hauers Männer sein“, stieß sie hervor. „Die wussten doch gar nicht, dass wir hierher kommen würden. Das ist ein verrückter Farmer, oder … oder ein kranker Mensch, der sich die Zeit damit vertreibt, auf Leute zu schießen.“
„Liebling.“ Wieder berührte er sie am Arm, und ihr wurde klar, dass sie Unsinn redete. „Das ist weder ein verrückter Farmer noch ein Idiot mit einem juckenden Finger am Abzug.“
„Woher willst du das wissen? Es könnte doch sein!“
„Dazu ist der Schütze zu professionell.“
Ihr Herz sank. Natürlich. Chance musste es ja wissen. Er war in solchen Sachen ausgebildet.
Sunny legte die Stirn an die feuchte Böschung und versuchte, Mut zu sammeln für das, was sie zu tun hatte. Ihre Mutter war gestorben, um sie und Margreta zu schützen, irgendwie musste sie diese Stärke ebenfalls in sich finden. Sie konnte Hauer nichts über Margreta erzählen, die Schwester war also in Sicherheit. Und wenn sie Chance das Leben retten konnte, dann war es das wert, dafür zu sterben …
Ihr Kind würde mit ihr sterben.
Bitte, ich will nicht wählen müssen, betete sie still. Das Kind oder der Vater …
Ginge es nur um sie, sie würde keine Sekunde zögern. In der kurzen Zeit, in der sie Chance kannte – waren es wirklich erst zwei Wochen? –, hatte sie so viel Glück und Liebe kennengelernt. Mit Freuden würde sie ihr Leben opfern, um seines zu schützen.
Das Leben, das in ihr heranwuchs, war noch eine Ansammlung von sich stetig teilenden Zellen. Organe oder Knochen hatten sich noch nicht geformt, die Zellen konnten zusammen nicht größer als ein Stecknadelkopf sein. Aber die Möglichkeiten, die darin steckten … Sunny liebte dieses winzige Wesen schon jetzt mit einer Macht, die jede Faser ihres Seins durchtränkte, vom ersten Augenblick an.
Das Kind oder der Vater. Der Vater oder das Kind.
Die Worte schwirrten unablässig in ihrem Kopf. Wie konnte sie überhaupt eine Wahl treffen? Sie liebte beide. Keine Frau sollte vor eine solche Wahl gestellt werden. Sunny hasste ihren Vater noch mehr, weil er sie in diese Situation gezwungen hatte. Er war kein Vater, das war er nie gewesen. Er war ein Monster.
„Gib mir deine Pistole.“ Sie hörte sich die Worte sagen, aber es klang nicht wie ihre Stimme.
Chances Kopf ruckte herum. „Was?“ Er blickte sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
„Gib mir die Pistole“, wiederholte sie. „Er … sie wissen nicht, dass wir eine Waffe haben. Ich stecke sie mir in den Hosenbund und gehe da raus …“
„Auf gar keinen Fall!“, herrschte er sie an. „Wenn du dir einbildest, ich würde dich …“
„Nein, hör zu!“, fiel sie ihm wild ins Wort. „Mir werden sie nichts tun. Er will mich doch lebend haben. Und wenn sie mir nahe genug sind, dann werde ich …“
„Nein!“ Er packte sie beim Kragen und zog sie so nahe zu sich heran, dass ihre Nasenspitzen sich fast berührten. SeineAugen sprühten Funken. „Solltest du auch nur versuchen aufzustehen, schlage ich dich k.o. Hast du mich verstanden? Ich lasse dich nicht da rausgehen, ist das klar?“
Er ließ sie los, und Sunny sank zurück auf die Böschung. Ihn überwältigen konnte sie nicht, dazu war er zu stark. Und austricksen würde bei ihm nicht funktionieren.
„Wir müssen etwas unternehmen“, flüsterte sie.
Er sah sie nicht an. „Wir warten“, sagte er nur tonlos. „Mehr tun wir nicht. Früher oder später wird sich dieser Mistkerl zeigen.“
Warten. Das war
Weitere Kostenlose Bücher