Der Traum & Das Spiel der MacKenzies (German Edition)
Wirkung der Narkose langsam verflog. Es kostete sie unendliche Anstrengung, aber sie schaffte es, eine Hand auf ihren Bauch zu legen und krächzend ein Wort auszusprechen. „Baby?“
Der Pfleger der Intensivstation verstand. „Ihrem Baby gehtes bestens“, sagte er lächelnd und tätschelte beruhigend Sunnys Hand.
Sie war schrecklich durstig. „Wasser“, war ihr zweites Wort, und man hielt ihr Eiswürfel an die Lippen.
Mit dem zurückkehrenden Bewusstsein kam auch der Schmerz. Er wurde immer stärker, je mehr der Nebel der Narkose sich verzog. Es war schlimm, aber fast hieß Sunny diesen Schmerz willkommen. Denn es bedeutete, dass sie noch lebte.
Jerry, der Pfleger, war der Mensch, den sie am häufigsten sah. Lächelnd trat er an ihr Bett. „Da ist jemand, der Sie sehen möchte.“
Sunny schüttelte den Kopf und wusste sofort, das war ein riesiger Fehler. Wellen von Schmerz schwappten über sie und spülten die Wirkung der Medikamente fort. „Kein Besuch“, brachte Sunny heraus.
Ihr schien es wie eine Ewigkeit, dass sie auf der Intensivstation lag. Doch als sie Jerry fragte, antwortete er: „Oh, seit knapp sechsunddreißig Stunden. Wir können Sie bald in ein Krankenzimmer verlegen. Es wird gerade vorbereitet.“
Als man sie verlegte, war Sunny so weit klar bei Bewusstsein, dass sie die Deckenfliesen und Neonlampen an der Korridordecke über sich vorbeihuschen sah. Sie erhaschte einen Blick auf einen großen Mann mit schwarzen Haaren und sah hastig fort.
Für den kurzen Transport waren zwei Schwestern, drei Pfleger und eine halbe Stunde nötig. Bis alles an Ort und Stelle gebracht und angeschlossen war, blieb Sunny wach. Danach fielen ihr immer wieder für kurze Momente die Augen zu. Das frisch gemachte Bett war angenehm kühl, das Kopfende ein wenig höhergestellt worden. Jemand steckte ihr ein Kissen in den Rücken, und in dieser fast sitzenden Stellung fühlte Sunny sich halbwegs normal.
Blumen standen im Zimmer. Rosen. Pfirsichfarbene Rosenmit einem Hauch Rot am Rand der Blütenblätter. Ihr kräftiger Duft überdeckte den typischen Krankenhausgeruch von Desinfektions- und Putzmitteln. Sunny blickte auf die Rosen, sie fragte jedoch nicht, von wem sie kamen.
„Ich möchte keinen Besuch“, erklärte sie den Schwestern. „Ich will mich nur ausruhen.“
Sunny durfte Wackelpeter essen und eine Tasse schwachen Tee trinken. Am zweiten Tag in dem privaten Krankenzimmer wurde ihr Brühe gebracht, und man setzte sie für eine Viertelstunde in den Stuhl an dem kleinen Tisch. Sunny tat es gut, auf eigenen Beinen zu stehen. Selbst wenn es nur Sekunden waren, in denen sie mit Hilfe der Schwestern den Weg vom Bett zum Stuhl zurücklegte. Noch besser fühlte sie sich, als man sie wieder zurück ins Bett schob.
Am Abend stand Sunny ohne Unterstützung eines Krankenpflegers auf, auch wenn es sie schier übermenschlichen Kraftaufwand kostete. Den Weg zum Tisch schaffte sie allein, auch wenn sie sich am Bett festhalten musste.
Am dritten Tag wurde eine Bromelie für sie abgegeben, eine Topfpflanze mit gebogenen, grün-gräulichen Blättern, in deren Mitte eine einzelne große, wunderschöne pinkfarbene Blüte wuchs. Sunny hatte nie Topfpflanzen in ihrer Wohnung gehabt, aus dem gleichen Grund, aus dem sie sich nie ein Haustier angeschafft hatte – sie war ständig unterwegs und konnte sich nicht um lebende Wesen kümmern. Starr blickte sie auf die Bromelie und versuchte zu begreifen, dass sie ab jetzt so viele Topfpflanzen haben konnte, wie sie wollte. Alles hatte sich gerändert. Crispin Hauer war tot, sie und Margreta lebten endlich in Freiheit.
Bei dem Gedanken an ihre Schwester stieg Panik in ihr auf. Was für ein Tag war heute? Für wann war Margretas Anruf geplant? Und wo lag überhaupt ihr Handy?
Am Nachmittag des vierten Tages ging die Tür auf und Chance trat ein. Sunny wandte den Kopf ab und schaute ausdem Fenster. In Wahrheit war sie erstaunt, dass er ihr so viel Zeit gelassen hatte, um sich zu erholen. Sie hatte ihn so lange wie möglich von sich ferngehalten. Wahrscheinlich muss es wohl einen letzten Akt geben, bevor der Vorhang endgültig fallen kann, dachte sie düster.
Die emotionalen Verletzungen hatte sie bisher unterdrückt, indem sie sich auf den körperlichen Schmerz konzentrierte. Doch jetzt war es ihr unmöglich. Sie kämpfte dagegen an, verdrängte die Schmerzen und rang um Beherrschung. Eine Szene brachte nichts ein, damit würde sie nur ihre Selbstachtung verlieren.
„Ich habe
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