Der Traum des Highlanders
senkte seine Stimme auf ein noch leiseres Flüstern, ehe er erklärte: »Greylens Mutter, Judy MacKinnon, hatte eine Zwillingsschwester namens Blair.«
»So hieß meine Großmutter. Blair MacKinnon hat meinen Großvater Angus MacBain geheiratet, und Michael war ihr erster Sohn.«
»Ja.« Daar nickte zustimmend. »Blair ist deine Großmutter, aber du bist kein Blutsverwandter von Angus. Als die beiden geheiratet haben, war Blair bereits mit Michael schwanger, gab ihn aber als das Kind von Angus aus.«
Robbie schüttelte den Kopf. »Angus hätte doch wohl in der Hochzeitsnacht gemerkt, dass sie vor ihm schon mal mit einem anderen Mann zusammen war, und dann hätte er sie doch bestimmt verstoßen.«
»Ja.« Daar nickte erneut. »Aber in diesen Dingen haben die Frauen die Männer schon seit Anbeginn der Zeit hinters Licht geführt. Schließlich ging es für sie dabei oft ums nackte Überleben. Du darfst nicht vergessen, Robbie, dass diese Dinge damals sehr wichtig waren.«
»Und wer ist dann mein echter Großvater?«
»Duncan MacKeage.«
»Was? Aber er war mit Judy MacKinnon verheiratet. Willst du etwa behaupten, dass er beide Frauen geschwängert hat? Schwestern?«
Daar beugte sich noch weiter über seine verschränkten Arme. »Judy starb, als Greylen noch kein Jahr alt war, und Blair kam zu den MacKeages, um das Kind der toten Schwester zu versorgen. Aber sie war bereits Angus MacBain versprochen und blieb deshalb nur ein Jahr bei den MacKeages, bevor sie ihre Pflicht erfüllt und Angus geheiratet hat.«
»Aber du sagst, dass sie zu dem Zeitpunkt bereits schwanger war?«
»Ja. Judy und Blair waren eineiige Zwillinge, Duncan hatte das Gefühl, als verlöre er seine junge, wunderschöne Frau ein zweites Mal. An dem Abend, bevor Blair ihn verlassen sollte, hat er sich fürchterlich betrunken und seine Schwägerin verführt. Am nächsten Morgen hat er sich entsetzlich aufgeführt.« Daar blickte versonnen Richtung Wald. »Er war völlig außer sich, entweder vor Schuldgefühlen oder aus Begierde, das kann ich nicht sagen. Er hat sogar damit gedroht, zu Blairs Vater zu gehen und sie für sich zu beanspruchen.«
»Warum hat er das nicht getan?«
Daar richtete sich wieder auf und sah Robbie an. »Wenn Duncan sie behalten hätte, hätte er dadurch einen Krieg zwischen den drei Clans vom Zaun gebrochen. Deshalb habe ich ihn überredet, dass er das Mädchen gehen lässt.«
Robbie bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. »Aber du hattest noch einen anderen Grund, die Beziehung zu verhindern.«
Die Miene des Alten verdüsterte sich. »Ja«, gestand er flüsternd ein. »Den hatte ich. Eineiige Zwillinge waren damals nicht willkommen, Robbie, normalerweise wurde einer oder sogar beide aus Furcht vor der schwarzen Magie gleich nach der Geburt getötet. Judys und Blairs Mutter hat sich dagegen gewehrt.«
»Mütter hatten damals nichts zu sagen«, stellte Robbie fest. »Nicht, wenn ihre Männer etwas anderes wollten.«
»Ja, aber obwohl die beiden völlig gleich aussahen, gab es einen winzigen Unterschied. Blair MacKinnon hatte sechs Zehen an jedem Fuß.«
Robbie starrte den Druiden reglos an.
»Das ist der Grund, aus dem du und Michael jeweils zwölf Zehen habt«, erklärte Daar. »Sie sind ein Erbe eurer Großmutter und der einzige Grund, aus dem ihr überhaupt auf die Welt gekommen seid. Cara MacKinnon hat ihren Mann dazu bewegen können, ihre Töchter am Leben zu lassen, indem sie darauf verwiesen hat, dass es einen Unterschied zwischen ihnen gab.«
»Und unsere grauen Augen?«
Daar zuckte mit den Schultern. »Die hatten die Zwillinge auch.«
»Was willst du also sagen, Priester? Dass Greylen und mein Vater Brüder sind?«
»Halbbrüder, von Duncan mit Zwillingen gezeugt.«
Robbie rutschte in seinem Sattel herum. »Dann ist Greylen MacKeage also mein Onkel. Aber das ändert nichts. Wer vor achthundert Jahren mit wem geschlafen hat, spielt für Grey und meinen Vater heute keine Rolle mehr. Was ist daran so gefährlich, dass die beiden Brüder sind?«
»Cùram«, erklärte Daar. »Falls er je erfährt, dass Judy MacKinnon eine eineiige Zwillingsschwester hatte, wäre er schneller als der Donner hier.«
»Aber warum?«
»Denk doch nur mal nach, Robbie. Zwei von Duncan mit eineiigen Zwillingen gezeugte Jungen – Greylen und Michael – haben ihrerseits, als sie erwachsen waren, jede Menge Nachkommen gezeugt, nämlich deine sieben Cousinen, deinen Bruder, deine beiden Schwestern und dich selbst. Von Judy
Weitere Kostenlose Bücher