Der Traum des Highlanders
Mal berührte, bräche sie nicht in blinde Panik aus, sondern bliebe stehen. Schließlich konnte sie wohl kaum erwarten, dass die Kinder mutig waren, wenn sie selbst bereits bei einer harmlosen Berührung erschreckt zusammenfuhr.
Ronald Daniels würde nicht gewinnen.
Es war, wie sie Nathan und Nora gesagt hatte. Sie hatten jetzt fünf Schutzengel, und dazu hatte man ihr auch noch einen dicken Knüppel angeboten, damit sie auch dem größten Engel gegenüber stets die Oberhand behielt.
9
R obbie hielt den tief hängenden Ast so lange fest, bis sein Onkel vorbeigelaufen war. Er sollte die Jungs die Bäume und die Büsche schneiden lassen, die links und rechts des schmalen Weges wuchsen, über den man von seinem Hof zur Skistation seiner Familie kam. Ian lehnte sich auf seinen Stock, den er im Wald zurückgelassen hatte, damit niemand sähe, wie er von einer Krücke gestützt auf seinen fünfundachtzigjährigen Beinen angewackelt kam. Robbie verbarg ein Lächeln, faltete die Hände hinter seinem Rücken und passte seine Schritte an das Lauftempo des alten Kriegers an.
Mehrere Minuten liefen sie in angenehmem Schweigen den leicht ansteigenden Weg hinauf, bis Robbie leise fragte: »Woran denkst du gerade, Onkel?«
»An den Tod.«
»Den Tod im Allgemeinen oder den Tod eines ganz speziellen Menschen?«
Ian sah ihn aus den Augenwinkeln an. »An meinen eigenen Tod. In meinem Alter denkt man täglich an die eigene Sterblichkeit.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Ich will nicht hier sterben, Robbie.«
»Ich fürchte, diesbezüglich hast du keine Wahl. Die hat nämlich niemand.«
Der alte Mann blieb stehen und legte seinen Kopf ein wenig schräg. »Ich will nicht dem Tod an sich entgehen, sondern nur dem Tod an diesem Ort. Ich will, bevor ich sterbe, meine Kinder noch mal sehen. Und ich muss meiner Frau noch einmal die Arme um die Taille schlingen und mein Gesicht an ihrer Brust vergraben. Mir fehlt der Geruch der Dorffeuer, der Anblick der Heidebüsche auf den Feldern, das Klirren der Schwerter der Krieger meines Clans. Ich will nach Hause, Robbie«, flüsterte er heiser. »Und ich will, dass du mich hinbringst.«
»Das kann ich nicht, Onkel.«
»Doch, das kannst du«, widersprach ihm Ian ruhig. »Dir ist die Aufgabe zugefallen, über Daar zu wachen, und zwar nicht, weil du der Älteste von Michaels Söhnen, sondern weil du unser Beschützer bist. Ich glaube, dass du mir meinen Wunsch erfüllen kannst.«
»Hast du mit Grey darüber gesprochen, dass du nach Hause willst?«, wich Robbie einer Antwort aus.
»Nein. Nur mit dir.«
»Was ist mit Kate? Ihr beide seid einander seit über zwanzig Jahren eng verbunden. Bist du trotzdem bereit, sie zu verlassen?«
»Es war Kate, die mir den Mut gegeben hat, mich an dich zu wenden.« Ian nickte mit dem Kopf. »Sie hat immer schon gewusst, dass mein Herz Gwyneth gehört, und sie bedrängt mich schon seit einer ganzen Weile, einen Weg zu finden, um sie noch mal zu sehen. Wir sind gute Freunde, und ich habe Kate sehr gern«, fügte er hinzu. »Sie wird es nicht nur verstehen, sondern sich für mich freuen.«
»Und was ist mit uns anderen?«
»Auch ihr werdet euch letztendlich für mich freuen. Grey, Morgan, Callum und dein Papa haben jetzt eigene Frauen, Kinder, Enkel. Sie sind hier zu Hause, ich aber gehöre immer noch in die Vergangenheit. Deshalb hat Kate mir zugeredet, mit meinem Anliegen zu Daar zu gehen.« Ian legte eine Hand auf Robbies Arm. »Aber ich komme damit lieber zu dir. Denn dir vertraue ich.«
Robbie führte seinen Onkel an den Straßenrand, und sie nahmen auf einem umgestürzten Baumstamm Platz. »Aber die Reise selbst könnte dich töten, Onkel. Du kannst dich doch bestimmt daran erinnern, wie wild der Sturm vor fünfunddreißig Jahren war.«
Ian wurde blass. »Du warst dort«, wisperte er. »Du bist bereits dorthin zurückgekehrt, nicht wahr?«
Robbie sagte nichts.
»Vor drei Nächten, stimmt’s?« Ian rechnete kurz nach und packte Robbies Arm. »Ich habe abends kurz nach Sonnenuntergang und dann wieder am nächsten Morgen kurz vor Sonnenaufgang den Donner gehört und das Beben des Bergs gespürt.«
Er wies auf Robbies Hüfte. »Diese Schnittwunde an deiner Seite. Ich wette, die stammt von einem Schwert. Beinahe hätten sie dich umgebracht, als du im alten Schottland warst.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Das kleine Mädchen, Nora. Sie hat mir erzählt, dass sie dich im Wald gefunden haben und dachten, du wärst tot. Sie hat mir auch
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