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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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na mBan an dem Aufstand teilgenommen hatten. Das hatte ihr Neffe mit eigenen Augen gesehen. In den Rebellenstellungen waren die Frauen für das Kochen zuständig, doch je heftiger die Gefechte wurden, desto mehr Verantwortung wurde ihnen übertragen. Inmitten der Schüsse, Bombardierungen und Brände versorgten sie als Krankenschwestern die Verwundeten und halfen den Chirurgen, Kugeln zu entfernen, Wunden zu nähen, brandige Gliedmaßen zu amputieren. Doch eine besondere Rolle kam diesen Mädchen, jungen und älteren Frauen zu, als die wachsende Abgeschnittenheit der Barrikaden und Rebellenposten es unabdingbar machte, sie als Kuriere auf Fahrrädern oder in deren Ermangelung zu Fuß mündliche oder schriftliche Botschaften überbringen zu lassen, Letztere mit der Anweisung, die Zettel zu zerstören, verbrennen oder aufzuessen, sollte die Überbringerin verletzt oder gefangengenommen werden. Bruder Austin versicherte Alice, während der sechs Tage der Rebellion, inmitten der Gefechte und Schusswechsel, Explosionen und einstürzenden Balkone, Dächer und Mauern, die Dublin in ein Archipel aus Flammen und verkohltem, blutigem Schutt verwandelt hätten, habe er bis zum Schluss diese Engel in Röcken heldenhaft und unbeirrbar wie Amazonen in die Pedale treten gesehen, den Kugeln trotzend, um Nachrichten und Informationen zu überbringen und die Umzingelung zu durchbrechen, mit der das britische Militär die Rebellen vor ihrer endgültigen Zerschlagung isolieren wollte.
    »Als sie schließlich nicht mehr als Kuriere dienen konnten, weil die Truppen die Straßen besetzten und nirgends mehr durchzukommen war, nahmen viele die Revolver und Gewehre ihrer gefallenen Männer, Väter und Söhne und schlossensich dem Kampf an«, sagte Alice. »Nicht nur Constance Markievicz bewies, dass wir Frauen kein schwaches Geschlecht sind. Viele kämpften wie sie und starben oder wurden verletzt, die Waffe in der Hand.«
    »Weiß man, wie viele?«
    Alice schüttelte den Kopf.
    »Es gibt keine offiziellen Zahlen. Die, die im Umlauf sind, sind völlig aus der Luft gegriffen. Aber eines ist sicher: Sie haben mitgekämpft. Das britische Militär kann ein Lied davon singen, es hat etliche verhaftet und in die Kaserne von Richmond und das Gefängnis von Kilmainham gebracht. Sie sollten ebenfalls vor ein Kriegsgericht gestellt und erschossen werden. Das weiß ich aus verlässlicher Quelle, ein Minister hat es mir anvertraut. Aber dem britischen Kabinett wurde – fraglos zu Recht – angst und bange bei dem Gedanken, ganz Irland könnte zu den Waffen greifen, finge man an, Frauen zu erschießen. Premierminister Asquith persönlich hat dem Oberbefehlshaber von Dublin, Sir John Maxwell, in einem Telegramm strikt untersagt, auch nur eine einzige Frau füsilieren zu lassen. Das hat Gräfin Markievicz das Leben gerettet. Sie wurde von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt, doch das Urteil wurde auf Druck der Regierung in lebenslängliche Haft umgewandelt.«
    Doch natürlich gab es während der einwöchigen Kämpfe nicht nur Begeisterung, Solidarität und Heroismus unter der Zivilbevölkerung von Dublin. Alice’ Neffe war auch Zeuge geworden, wie Geschäfte und Warenlager in der Sackville Street und anderen Straßen des Stadtzentrums von Herumtreibern, Ganoven oder schlicht Hungerleidern aus den benachbarten Elendsvierteln geplündert wurden, was die Anführer der Revolutionary Brotherhood , der Volunteers und der Bürgerarmee in Schwierigkeiten brachte, die eine solche kriminelle Entgleisung ihrer Rebellion nicht vorhergesehen hatten. In einigen Fällen versuchten die Rebellen, die Plünderungen von Hotels zu verhindern, die Menge vor dem Gresham Hotel verscheuchten sie sogar mit Schüssen in dieLuft, in anderen Fällen jedoch sahen sie fassungslos zu, wie diese einfachen, hungrigen Menschen, für deren Interessen sie zu kämpfen dachten, sich ihnen zornig entgegenstellten, um die eleganten Geschäfte der Stadt auszuräumen.
    Doch nicht nur mit Räubern waren die Rebellen in Dublins Straßen konfrontiert. Auch mit Müttern, Ehefrauen, Schwestern und Töchtern von Polizisten und Soldaten, die von den Aufständischen angegriffen, verletzt oder getötet worden waren, bisweilen ganze Gruppen von Frauen, die blind vor Schmerz, Wut und Verzweiflung keine Furcht mehr kannten. In manchen Fällen attackierten sie sogar die Rebellenposten, verfluchten die Kämpfenden, beschimpften sie als Mörder, bespuckten sie und bewarfen sie mit Steinen. Das war die

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