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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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aufzutreiben. Auch hier sei der Beistand der katholischen Kirche von großer Bedeutung gewesen.
    Dutzende Frauen befanden sich unter den Deportierten. Viele von ihnen – mit einigen hatte Alice persönlich gesprochen – hegten trotz aller Loyalität einen gewissen Groll gegen die Befehlshaber der Rebellion, die es den Frauen zunächst erschwert hätten, sich den Kämpfenden anzuschließen. Der einzige Kommandant, der sich rundheraus geweigert hatte, Frauen in der von ihm besetzten Fabrik Boland’s Mill und dem umliegenden, von seinen Truppen kontrollierten Territorium zuzulassen, war Éamon de Valera. Seine konservativen Argumente versetzten die Aktivistinnen von Cumann na mBan in Wut. Eine Frau gehöre an den Herd und nicht in eine Straßenschlacht, sie solle mit Spinnrad, Töpfen, Nadel und Faden hantieren und nicht mit Pistolen oder Gewehren. Ihre Gegenwart könne die Kämpfenden ablenken, die sich verpflichtet fühlen würden, sie zu beschützen, statt sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Der große, schmale Mathematikprofessor und Anführer der Irish Volunteers , mit dem Roger viele Unterhaltungen und eine rege Korrespondenz geführt hatte, war von einem der geheimen militärischen Standgerichte, vor denen den Anführern der Erhebung der Prozess gemacht wurde, zum Tode verurteilt worden, kam jedoch in letzter Minute davon. Als er im Gefängnis von Kilmainham Gaol nach Beichte und Kommunion mit dem Rosenkranz in der Hand schon ruhig darauf wartete, an die Wand gestellt zu werden, wandelte das Tribunal die Todesstrafe gerade noch in lebenslange Haft um. Die Gerüchte besagten, Éamon de Valera habe trotz einer fehlenden militärischen Ausbildung seine Truppen äußerst effizient und diszipliniert geführt und dem Feind etliche Verluste zugefügt. Seine Leute waren die Letzten gewesen, die sich ergeben hatten. Allerdings hieß es auch, in der Anspannung dieser Tage habe er bisweilen so konfus gewirkt, dass seine Männer zeitweise befürchteten, er könnte um den Verstand kommen. Er wäre nicht der Einzige gewesen. Einige hatten in dem Kugelhagel und Flammenregen der Barrikaden, ohne Schlaf und Nahrung, die Nerven oder tatsächlich völlig den Verstand verloren.
    Gedankenversunken rief Roger sich die lange Gestalt Éamon de Valeras in Erinnerung, seine feierlich getragene Art zu sprechen. Unterdessen erwähnte Alice ein Pferd. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. Roger wusste um ihre große Liebe zu Tieren, aber warum diese plötzliche Gefühlswallung? Nach und nach begriff Roger, dass es sich um eine der Episoden handelte, die ihr Neffe ihr erzählt hatte. Das Pferd, um das es ging, gehörte einem der Soldaten, die am ersten Tag der Erhebung das Postamt unter Beschuss nahmen, dabei allerdings zurückgeworfen wurden, wobei sie drei Männer verloren. Von Schüssen getroffen, stürzte das Pferd vor einer Barrikade zu Boden, wiehernd vor Schmerz. Von Zeit zu Zeit gelang es ihm, sich aufzurichten, doch der Blutverlust hatte es so geschwächt, dass seine Beine nach wenigen Schritten wieder nachgaben. Hinter der Barrikade kam es zu einer Diskussion darüber, ob man ihm den Gnadenschuss versetzen sollte, um seinem Leiden ein Ende zu bereiten, oder ob es wieder genesen könnte. Zwei Gewehrschüsse waren schließlich nötig, um seinen Todeskampf zu beenden.
    »Es war nicht das einzige Tier, das bei den Straßenkämpfen umkam«, sagte Alice betrübt. »Viele Pferde, Hunde und Katzen wurden getötet. Unschuldige Opfer der menschlichen Brutalität. Ich habe Albträume davon. Die Armen. Sind wir Menschen nicht schlimmer als Bestien, Roger?«
    »Nicht immer, Alice. Ich versichere dir, dass manche von ihnen genauso grausam sind wie wir. Denk nur an die Schlangen, deren Gift ihr Opfer unter schrecklichen Qualen langsam tötet. Oder an den Canero-Fisch im Amazonas, der durch den Anus in den Körper gelangt und sich dort von Blut ernährt. Du siehst …«
    »Wechseln wir das Thema«, sagte Alice. »Genug von Krieg, Gefechten, Verletzten und Toten.«
    Doch kurz darauf erzählte sie Roger schon wieder, welch beeindruckenden Zulauf Sinn Féin und die Irish Revolutionary Brotherhood unter den Hunderten deportierten und in englische Gefängnisse gebrachten Iren erfuhr. Selbst gemäßigteoder unabhängige Aktivisten und bekannte Pazifisten schlossen sich den radikalen Organisationen an. Und wie viele Petitionen in ganz Irland um Amnestie für die Verurteilten baten. Auch in den Städten der Vereinigten Staaten mit irischen

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