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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vargas Mario LLosa
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hatte den Eindruck einer sonderbaren Reglosigkeit, als wären alle diese Herren, die einen Augenblick zuvor noch gegessen, getrunken, sich unterhalten und gestikuliert hatten, Opfer einer schlagartigen Lähmung geworden. Roger musterte sie. Die joviale Heiterkeit war in Missbilligung umgeschlagen.
    »Die Gesellschaft von Julio C. Arana ist zur Zusammenarbeit bereit, um ihren guten Namen zu verteidigen«, ergriff Pablo Zumaeta beinahe schreiend das Wort. »Wir haben nichts zu verbergen. Das Schiff, in dem Sie nach Putumayo fahren werden, ist das beste unseres Unternehmens. Und dort wird Ihnen alles zugänglich gemacht werden, damit Sie sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie schändlich diese Verleumdungen sind.«
    »Ich danke Ihnen, mein Herr«, sagte Roger.
    Da beschloss er, in einem für ihn ungewöhnlichen Impuls, seine Gastgeber einer kleinen – und wie er vermutete – aufschlussreichen Prüfung zu unterziehen. Beiläufig, als würde er über Tennis oder das Wetter sprechen, fragte er:
    »Ach übrigens, wissen Sie, ob sich der Journalist Benjamín Saldaña Roca, ich spreche den Namen hoffentlich richtig aus, gerade in Iquitos aufhält? Ob wohl eine Unterredung mit ihm möglich wäre?«
    Die Frage schlug ein wie eine Bombe. Die Anwesenden warfen sich überraschte, brüskierte Blicke zu. Ein langes Schweigen folgte, als wagte niemand, sich auf ein so heikles Thema einzulassen.
    »Nein so was!«, rief der Präfekt schließlich mit theatralischerEntrüstung aus. »Bis London ist der Name dieses Erpressers gelangt?«
    »So ist es, mein Herr«, nickte Roger. »Die Anschuldigungen gegen die Kautschukunternehmen von Putumayo, die Señor Saldaña Roca und Ingenieur Walter Hardenburg vorbrachten, haben in London einen Skandal ausgelöst. Doch Sie haben meine Frage nicht beantwortet: Ist Señor Saldaña Roca in Iquitos? Kann ich ihn treffen?«
    Wieder setzte ein langes Schweigen ein. Das Unbehagen war deutlich spürbar. Schließlich sagte der Superior der Augustiner:
    »Niemand weiß, wo er ist, Señor Casement.« Pater Urrutia sprach das härtere Spanisch der Iberischen Halbinsel, das Roger wesentlich schwerer verstand. »Er ist vor einiger Zeit aus Iquitos verschwunden. Es heißt, er sei in Lima.«
    »Wäre er nicht geflohen, hätten wir ihn hier gelyncht«, donnerte ein älterer Herr mit erhobener Faust.
    »Wir in Iquitos sind Patrioten«, rief Pablo Zumaeta aus. »Niemand wird dieser Kanaille je verzeihen, solche infamen Lügen in Umlauf gesetzt zu haben, um Peru in Verruf zu bringen und dem Unternehmen zu schaden, das den Fortschritt ins Amazonasgebiet gebracht hat.«
    »Und das nur, weil ihm sein Schurkenstreich nicht aufging«, ergänzte der Präfekt. »Hat man Ihnen auch gesagt, dass Saldaña Roca zuvor versucht hatte, Señor Aranas Gesellschaft zu erpressen?«
    »Und als wir darauf nicht eingegangen sind, hat er diese ganze Lügengeschichte über Putumayo veröffentlicht«, pflichtete Pablo Zumaeta bei. »Er ist wegen des Verfassens von Schmähschriften, Verleumdung und Erpressung angeklagt, ihm blüht Gefängnis, deshalb ist er abgehauen.«
    »Es gibt doch nichts Besseres, als vor Ort zu sein, um den Dingen auf den Grund zu gehen«, bemerkte Roger.
    Die Unterhaltungen begannen erneut. Das Abendessen ging mit einem Gericht amazonischer Fische weiter, von denen Roger einen, Gamitana genannt, besonders zart undschmackhaft fand. Doch die Gewürze, mit denen er zubereitet war, brannten in seinem Mund.
    Nach dem Essen verabschiedete er sich von dem Präfekten und unterhielt sich noch kurz mit seinen Freunden von der Kommission. Seymour Bell hielt es für unbedacht, den Namen von Saldaña Roca, der die Honoratioren von Iquitos derart aufbrachte, so unvermittelt auf den Tisch gebracht zu haben. Louis Barnes dagegen gratulierte ihm, die erzürnte Reaktion sei sehr interessant gewesen.
    »Wie schade, dass wir nicht mit ihm reden können«, sagte Roger. »Ich hätte ihn gern kennengelernt.«
    Roger und der Konsul gingen denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Der Radau war noch lauter geworden, und Roger erstaunten die zahlreichen Kinder, die barfüßig, halbnackt und zerlumpt an den Türen der Spelunken und Bordelle standen und mit spitzbübischen Mienen hineinspähten. Ringsum wühlten Hunde im Abfall.
    »Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit damit, ihn zu suchen, Sie werden ihn nicht finden«, sagte Stirs. »Saldaña Roca ist aller Wahrscheinlichkeit nach tot.«
    Das überraschte Roger nicht. Die Aggressivität,

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